Bildung ist die einzige Zukunftsressource, die wir in Deutschland besitzen. Darüber ist man sich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft größtenteils einig. Ebenso scheint Einigkeit hierüber zu existieren: Es müssen wesentlich mehr Investitionen unternommen werden, um Lernen und Lehren einen adäquaten Raum zu bieten.
Von Katja Hintze und Marco Splitt //
Doch was sind die richtigen und wichtigen Maßnahmen und Interventionen, um die „einzige Ressource“ nachhaltig zu erhalten? Notwendig wären beispielsweise Investitionen in Fort- und Weiterbildung, Methodenkompetenz sowie ausdifferenzierte Lehr- und Lernmaterialien. Dazu braucht es finanzielle Unterstützungen. Dort, wo der Staat aber – aus welchen Gründen auch immer – keine Finanzen bereitzustellen vermag, können gemeinnützige Organisationen zielgerichtet und zweckgebunden einstehen, um die notwendigen Veränderungsprozesse einzuleiten.
Die positiven Nachrichten vorweg
In Deutschland spendet man gern, ob für Nicht-Regierungsorganisationen, Stiftungen oder politische Verbände. Die Bereitschaft, das eigene Geld einem persönlich für gut erachteten Zweck zukommen zulassen, ist ungebrochen. Laut Statistischem Bundesamt betrug das Spendenvolumen der Deutschen im Jahr 2019 rund 5,1 Milliarden Euro, mit steigender Tendenz.
Erkennbar ist jedoch auch, dass gleichzeitig die Anzahl der Menschen zurückgeht, die gemeinnützigen Organisationen Geld zukommen lassen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Womöglich liegen sie auch in der Tatsache anderweitiger steigender Ausgaben und Abgaben begründet, die gegebenenfalls konjunkturell begründet sind.
„Bildung“ bekommt keine Wohltaten
Erfreulich ist die Nachricht der hohen Spendenbereitschaft. Verwunderlich hingegen ist die Tatsache, dass die für Deutschland so wichtige Ressource „Bildung“ keine Wohltaten erhält. Die meisten Spenden gehen nach wie vor den humanitären Hilfsorganisationen zu, dort maßgeblich in die Not- und Katastrophenhilfe. Gefolgt vom Tierschutz sowie Sport, Umwelt- und Naturschutz. Aber die finanzielle Unterstützung für Bildung, für die Zukunft unserer Kinder, gibt es nicht.
Dabei ist Bildung wichtig, verlautet es nicht nur aus der Politik, sondern auch aus den Reihen der Ökonomie. Ein Euro der heute mehr für Bildung ausgegeben wird, würde schlussendlich aufgrund besserer Schulabschlüsse, Ausbildung und höherer beruflicher Bildung mehrfach zurückgegeben. Erst im Bewusstsein darüber erkennen wir, dass wir Bildung nicht als Randthema abtun sollten. Denn es begleitet jeden Menschen vom Anfang des Lebens bis zum Lebensende.
Bildung vorrangig staatliche Aufgabe
Als Frage bleibt offen: Warum ist die Spendenbereitschaft in Bildung nur marginal? Ein wesentlicher Grund mag sein, dass Bildung eine vorrangig staatliche Aufgabe ist, die jede*r Einzelne mit Steuern und Abgaben bereits mitfinanziert. Aber: Wir zahlen aus unseren Steuern auch die Wohlfahrt, Entwicklungshilfe und Forschung. Selbstverständlich haben wir ein Umweltministerium und ein Forschungsministerium, die aus unseren Steuern zu Recht finanziert werden.
Für all diese Themen wird in großem Maße gespendet. Es wäre nur folgerichtig, dass auch für die Bildung von Kindern und Jugendlichen, ob im Kindergarten oder in Schulen gespendet wird. Ferner wäre es folgerichtig, wenn die steigenden Steuern und Abgaben auch in steigendem Maße in Bildung investiert werden. Jedoch kursieren in den sozialen Medien zahlreiche Berichte und Bilder über schlecht sanierte Schultoiletten, unzureichend ausgestattete Klassenräume und nicht in genug Lehr- und Lernmaterialien.
Fehlende Gerechtigkeit in der Bildung
Allen Warnungen zum Trotz offenbaren die in regelmäßigen Abständen publizierten Bildungsstudien eine noch größere Misere: Bildungsungerechtigkeit. Ein Begriff, der in allen Bildungsministerien – in den Ländern wie im Bund – Einzug gehalten hat. Mit der Folge, dass Bildungspolitiker*innen erklären, welches das beste Bildungssystem wäre, wenn auch die Schüler*innen und Lehrkräfte dabei oftmals aus dem Blick geraten.
Dass systemisch bedingte Ungerechtigkeiten existieren, dürfte also vielerorts erkannt worden sein – anders lässt sich der Reformeifer nicht erklären. Dennoch offenbart die derzeitige Corona-Pandemie in noch größerem Umfang, dass der Aufschrei nach dem PISA-Schock im Jahr 2000 bislang wenige Änderungen herbeigeführt hat. Immer noch existiert ein großer Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozio-ökonomischer Herkunft, wie die letzte PISA-Studie von 2018 zeigt.
Digitalpakt greift erst sehr langsam
In gleichem Maße unverständlich erscheint dabei, dass das Land, das den technologischen Fortschritt und Innovation für essentiell erklärt hat, die technologisch-innovative Entwicklung im Bildungssystem vollumfänglich vernachlässigt. Der Digitalpakt der Bundesregierung greift erst sehr langsam, denn vielerorts ist Deutschland im Bildungswesen noch ein digitales Entwicklungsland. Glück hat, wer Netz hat.
Seit Corona gilt außerdem: Bildung hat, wer digitalen Zugang hat und eine methodisch-versierte Lehrkraft. Einerseits werden nunmehr Bemühungen unternommen, um die digitale Infrastruktur im Bildungsbereich zu optimieren. Anderseits werden die ohnehin lange kritisierten und existierenden Bildungsungerechtigkeiten ungehemmt zu Tage befördert, ohne ihnen aktiv entgegen zu treten.
Gerade jetzt ist es wichtig, die richtigen Schlüsse zu ziehen, um die notwendigen Änderungen zu gestalten: Jedes Kind braucht einen Laptop, um zu Hause zu lernen und um aktiv mit den Lehrkräften zu kommunizieren. Und zwar als Arbeitsgerät für individuelles und vielfältiges Lernen, vergleichbar und doch nur ergänzend zum Lehrbuch. Ferner müssen unsere Schulen die notwendige Ausstattung bekommen, um unsere Kinder auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Natürlich sind dabei technische Administration und genügend Fortbildungsangebote für Lehrkräfte die unabdingbaren Grundlagen.
Was der Staat nicht macht
Was der Staat nicht macht, muss die Zivilgesellschaft wohl leisten – wenigstens vorübergehend. Doch dafür braucht sie Geld. Dass in Deutschland ein großes Maß an Spendenbereitschaft existiert, wurde vielfach bewiesen. Aber heutzutage ist es wichtiger denn je, auch für Bildungsorganisationen zu spenden, die Lücken im System schließen und gleichzeitig Druck auf die Politik machen. Denn es ist und bleibt Aufgabe staatlicher Politik, mit eingenommenen Steuern allen Kindern und Jugendlichen hochwertige Bildung zuteilwerden zu lassen.
Wir müssen endlich mehr unseres Bruttoinlandproduktes in Bildung investieren. Und gerade weil weiterhin systemisch bedingte Ungerechtigkeiten existieren, gilt es mit Hilfe von Bildungsorganisationen und Spenden jene Dinge zu fördern, die die Politik verstärkt ins Blickfeld nehmen muss.
Die Autor*innen:
Katja Hintze ist Vorstandsvorsitzende und Mitgründerin der Spendenorganisation Stiftung Bildung. Sie hat Philosophie, Kommunikationswissenschaften, Publizistik, Diversity und Wirtschaftsethik studiert und arbeitete viele Jahre als Kooperationsmanagerin in der freien Wirtschaft.
Marco Splitt ist Mitglied im Vorstand der Stiftung Bildung. Der Politologe und Historiker hat in Frankreich und Deutschland studiert und arbeitete mehrere Jahre im Deutschen Bundestag, u.a. für die Bundestagspräsidentin a.D. Rita Süssmuth. Derzeit ist er beruflich für eine gemeinnützige Organisation tätig.