Wohltäter aus Überzeugung

Gastbeitrag des Online-Magazins Prinzip Apfelbaum

Als Alexander Brochier in einem Managerseminar seine eigene Grabrede schreiben sollte, kam er ins Grübeln. Ihm wurde klar: Ich will nicht nur als Geschäftsmann und Vater im Gedächtnis bleiben, sondern auch als ein Mensch, der sich um andere kümmert. Der Unternehmer wurde zum Stifter aus Überzeugung.

Alexander Brochier ist eine gefragte Person auf dem gesellschaftlichen Parkett des Freistaats Bayern. Er wird eingeladen zu Diskussionsrunden, Empfängen und Bällen. Kein Wunder, gehört er doch zu den vermögenden Unternehmer*innen der Region. Die Firma Brochier steht für hochwertige technische Gebäudeausrüstungen, ist mehr als 140 Jahre alt und hat derzeit etwa 650 Beschäftigte.

Alexander Brochier ist aber genauso zuhause in Kinderheimen, Schulen, Stadtquartieren. Er ist oft bei denen anzutreffen, die das Leben nicht verwöhnt. Er beherrscht nicht nur die geschliffene Sprache des Parketts, sondern auch den direkten, manchmal derben Ton der Baustellen. „Das sind unsere Arbeitsstellen. Hier gibt es direkte Ansagen, hier weiß man schnell, woran man ist“, findet er. Der 68-Jährige hat es sich zum Prinzip gemacht, allen, die er trifft, auf Augenhöhe zu begegnen und ohne Arg. „Damit bin ich bisher gut gefahren.“

Der schlanke Mann mit den kurzgeschnittenen Haaren, den klaren blauen Augen und einem Schmunzeln im Gesicht ist einer der größten Geldgeber*innen für gemeinnützige Zwecke in der Bundesrepublik, er hat einen guten Teil seines Vermögens dafür hergegeben. Er hat mehrere gewichtige Stiftungen ins Leben gerufen, wirkt in weiteren Stiftungsvorständen mit. Er hat in München ein „Haus des Stiftens“ gegründet, das all jenen Hilfestellung gibt, die eine Stiftung gründen oder sich dort engagieren wollen. Kinderdörfer, Kinderheime, Kindergärten haben mit ihm und seinen Idealen zu tun. Er ist Pate für einen Nürnberger Stadtteil, in dem viele soziale Herausforderungen zu bewältigen sind. Und er hat noch zahlreiche andere ehrenamtliche Projekte.

Der gute Mensch von Nürnberg? Da schüttelt er den Kopf. „Ich glaube, ich bin nicht besser als andere. Ich gönne mir durchaus Dinge, die für andere Luxus sind.“

Die Verpflichtung, etwas zurückzugeben

Dass er sich für die Gemeinschaft einsetzt, dass er gar nicht mehr anders kann als sich zu engagieren, das hat sich langsam aufgebaut. „Ich hatte Glück“, sagt Alexander Brochier bei einem Gespräch in seinem kleinen Büro, in dem als erstes die Familienfotos und die Kinderbilder auffallen und gleich darauf eine Tafel an der Wand: „Alles ist Zeit“.

Glück meint nicht zuerst die gut gefüllten Familienkonten, sondern eine Kindheit und Jugend in Liebe und Geborgenheit. Aber auch den Umstand, „auf der richtigen Seite“ geboren worden zu sein. Nicht im Slum, nicht an einem Müllberg, sondern in einer mittelständischen Unternehmerfamilie im Nachkriegsdeutschland. Dem Ansinnen des Vaters, dass er sich fitmachen solle in Gebäudetechnik, gab der Junior erst mal einen Korb. Er wollte lieber die Welt retten, den Kapitalismus entlarven, in Heidelberg mit linken Studentengruppen Aktionen organisieren, Theaterwissenschaft studieren und später nach Vietnam.

Dass sich auch zuhause Gutes tun lässt, das sollte er im Lauf der nächsten Jahre verstehen. „Ich habe doch noch BWL studiert und dabei viel gelernt“, schmunzelt er. 1976 trat er ein in den elterlichen Betrieb. Als er 35 war, drückte ihm der Vater den Schlüssel für die Firma in die Hand und sagte: „Du übernimmst jetzt die Verantwortung.“ Europaweite Aufträge waren zu erfüllen, Entscheidungen mit Tragweite zu fällen, Investitionen zu regeln. „Es hat nicht alles geklappt, ich habe auch mal was in den Sand gesetzt und Lehrgeld gezahlt“, erinnert er sich. „Wenn sich von zehn unternehmerischen Entscheidungen sechs als richtig erweisen, kann man sehr zufrieden sein.“

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Wir informieren Sie gern über die verschiedenen Möglichkeiten des Stiftens.

Firma leiten, Familie haben? Das reichte nicht.

„Was willst du aus deinem Leben machen?“ Die Frage, die ihn schon als Student umtrieb, wurde konkret, als er als Jungmanager bei einem Seminar die eigene Grabrede schreiben sollte. Gut sein, Firma leiten, Familie haben? Das reichte nicht.

»Man sollte sich in irgendeiner Weise für seine Mitmenschen einsetzen. Engagement fängt bei einem selbst an«

Kindern zu helfen, das schien ihm besonders wichtig. „Bei Kindern gilt die Unschuldsvermutung. Sie können nichts dafür, wo sie geboren werden und wie sie aufwachsen, ob in Armut oder Reichtum. Das ist eine Sache von Glück oder Zufall.“ Er förderte SOS-Kinderdörfer, gründete Kinderheime, auch Kindergärten. Vor 25 Jahren rief er mit Hilfe von Geld, das aus dem Verkauf von Unternehmensanteilen stammte, die Brochier Stiftung für benachteiligte Kinder ins Leben. Es folgte die Stiftung Kinderfonds, unter deren Dach sich treuhänderische Kinderstiftungen zusammenfinden konnten.

Engagiert für bürgerschaftliches Engagement

Seine Mühen bei der Stiftungsgründung, den Gang durch den Paragraphendschungel wollte er anderen ersparen und nahm kurz darauf ein Mammutprojekt in Angriff: ein Haus des Stiftens. Hier sollte es Rat und Hilfe geben und Tipps für alle, die sich für das Stiften interessieren. Heute arbeiten in München mehr als 60 Spezialisten, die 1.400 Stiftungen betreuen.


Haus des Stiftens

Egal ob Privatperson oder Unternehmer:
Im Münchner Haus des Stiftens finden Stiftende, Fördernde und Erblasser*innen
praxisnahe Hilfen für ihr bürgerschaftliches Engagement: Informationen,
Kontakte und Strukturen, außerdem Beratung, Service und
Vernetzung mit Non-Profit-Organisationen.
www.hausdesstiftens.org

Er ist stolz auf diese Zahl und auf das, was Stiftungen ermöglichen. „In sehr vielen Bereichen leisten sie Entscheidendes, gewähren kontinuierlich Unterstützung, ermöglichen Entwicklung, fördern bürgerschaftlichen Einsatz“, sagt er. So mancher Stifter beginne mit 5.000 Euro und weite dann sein Engagement aus. „Je eher sich Menschen dafür entscheiden, Gutes zu tun, umso mehr haben sie selbst davon“, ist er überzeugt und verweist auf eine Studie, die festgestellt hat, dass Stifter länger leben. „Man sollte also nicht erst auf den letzten Metern über Stiftungen nachdenken.“

Das Münchner Haus des Stiftens arbeitet mit vielen Partnern zusammen, betreibt auch das Portal „Stifter helfen“. Es vermittelt zum Beispiel in der IT-Branche Soft- und Hardware-Spenden von namhaften Unternehmen an gemeinnützige Organisationen. „Die Software, die jetzt quasi verschenkt wurde, hat einen Wert von 200 Millionen Euro“, freut er sich.

»Je eher sich Menschen entscheiden, Gutes zu tun, umso mehr haben sie selbst davon.«

Wenn Alexander Brochier über das Stiften spricht, fließen die Worte nur so aus ihm heraus. „Spender*innen sind oft nur einmal aktiv, Stifter*innen sind es ein Leben lang.“ Stiften mache Spaß, es sei wie ein Motor, ein Katalysator. „Sich in Stiftungen zu engagieren tut gut.“ Gerade bei Unternehmen sei in Deutschland deutlich Luft nach oben, deshalb wirbt er bei jeder Gelegenheit dafür, Geld dauerhaft für andere einzusetzen. „Es liegt sehr viel Geld rum. Das oberste Prozent der Deutschen ist sehr vermögend, das sind etwa 800.000 Menschen.“ Dort lägen jeweils eine Million und mehr auf den Konten.

Statistiken haben ergeben, dass Vermögende im Schnitt pro Jahr 1.800 Euro spenden. Brochier aber findet: „Fünf Prozent des Vermögens müssten machbar sein.“ Er selbst setzt zehn Prozent seines Geldes für gemeinnützige Zwecke ein. In den vergangenen 25 Jahren hat er gelernt: „Das macht mir Spaß, ich könnte gar nicht mehr anders. Wenn man was Gutes tut, bekommt man immer etwas Gutes zurück.“

Zehn Prozent des Vermögens für die gute Sache

In Nürnberg-Gostenhof kennt man ihn gut, dem Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit, sozialen Problemen, Kindern, die in Armut leben, vielen Migrierten. Vor ein paar Jahren ist er zur Stadtverwaltung gegangen und hat gefragt, ob er helfen kann. „Ich bin offene Türen eingerannt.“ Seine Stadtteil-Patenschaft war die erste, inzwischen hat Nürnberg sechs, weil er andere Unternehmer*innen angesteckt hat mit seinem Engagement. Er ist mehrfach im Monat in Sozialeinrichtungen und Schulen zu finden, vernetzt mögliche Betreuungspartner*innen, finanziert Hilfe zur Selbsthilfe, fördert Kommunikation, Gemeinschaftssinn, bringt Begegnungsprogramme auf den Weg und sich selbst ein.

Die Millionen, die er seit einem Vierteljahrhundert in all seine Projekte gesteckt hat, hat er nicht gezählt. Aber er weiß, dass 2.000 Kinder in Tschechien und Bayern in Heimen betreut werden, die er mitgegründet und finanziert hat, um den Mädchen und Jungen einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen. Als er fünfzig wurde, bekam er ein besonderes Geschenk. Jedes Kind hatte seine größten Wünsche auf ein Blatt gemalt. Ball, Fahrrad, Sonne, Mama, Papa waren da zu sehen. „Die Collage hing sehr lange in meinem Wohnzimmer“, sagt er leise.

Im Ruhestand mehr Zeit für Familie und Ehrenamt

In der Firma hat er es übrigens so gehalten wie sein Vater vor vielen Jahren: Er hat die Verantwortung abgegeben, sein Neffe ist jetzt Chef von Brochier. Trotzdem kommt Alexander Brochier täglich ins Haus. Von hier aus hat er seine Projekte im Blick und nimmt sich neue vor. Er will sich in der Rechtspflege besonders für Ältere und Kranke engagieren und Betreuungsstrukturen hinterfragen. „Da liegt offenbar einiges im Argen.“

Es ist weit mehr Zeit als früher für seine Ehrenämter. Aber auch für das, was in den Jahren als Geschäftsführer oft zu kurz kam. Für die Familie. Seine jüngste Tochter ist elf und er genießt die Zeit mit ihr. Oder für Bücher. Oder für den geliebten Sport. Früher war es der Fußballverein, „Fußball ist großartig, weil er nicht elitär ist. Hier geht es ums Team, alle Schichten spielen zusammen“, sagt er. Er hat Zeit für das Radfahren, für Tennis und für das Skifahren. Und meint verschmitzt: „Hochzusteigen ist viel schöner als mit dem Lift zu fahren.“

»Wenn man was Gutes tut, bekommt man immer etwas Gutes zurück.«

Wenn man 68 ist, hat man über sein Leben nachgedacht. „Ich würde nichts anders machen“, sagt er. Man werde kritischer, weil man viel erlebt habe. Man werde ruhiger. Und wisse, dass man die Jahre gut nutzen müsse. Ist er gläubig? „Ich bin ein spiritueller Typ. Ich bete jeden Tag, bin aber kein konsequenter Kirchgänger.“ An seine inzwischen verstorbenen Eltern denkt er sehr oft. „Sie wären sicher froh und wohl auch stolz“, lächelt er und erzählt noch ein wenig von seiner liebevollen, stets hilfsbereiten Mutter.

Alexander Brochier wünscht sich, dass die Zahl der Menschen steige, die bereit sind, sich zu engagieren. Wer bald in die Rente geht, denen rät er, sich vorher zu informieren, sich aus der großen Zahl von möglichen Engagements etwas herauszusuchen und sich beraten zu lassen. „Es gibt zahllose Gelegenheiten, sich einzubringen.“ Glück buchstabiert er mit Familie, Liebe, Sinn im Leben und der Möglichkeit, etwas für andere zu tun. „Wer sich nur aufregt und über das Leben meckert, der bekommt auch keine guten Energien zurück.“

Gastbeitrag des Online-Magazins Prinzip Apfelbaum (Ausgabe No. 4) auf der Grundlage des darin erschienenen Beitrags von Birgit Kummer. Alle Artikel und Ausgaben des Online-Magazins können Sie kostenlos lesen unter: www.das-prinzip-apfelbaum.de

Dies ist ein Gastbeitrag der “Initiative Apfelbaum – mein Erbe tut Gutes“. Die Stiftung Bildung benutzt eine gesellschaftlich bewusst reflektierte Sprache (bspw: mit*, Diskriminierungen vermeidend, Vielfalt der Gesellschaft sichtbar machen u.ä.) in all ihren eigenen Beiträgen, respektiert das Recht am eigenen Wort der*des Autor*in, veröffentlicht auf den eigenen Medien der Stiftung Bildung jedoch nur die der Compliance angepassten Texte.

Fotos: anncapictures/pixabay, S. Hermann & F. Richter/pixabay, Hai Nguyen Tien/Pixabay

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Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt, Ausgabe 4/2020 (PDF-Datei)

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