Eine Geschichte von Flucht und Neuanfang
Schüler der ersten bis sechsten Klasse der Schule Borchshöhe in Bremen entwickelten das Theaterstück „Die Stadt der Schatten“. Das Stück erzählt die Geschichte von sechs Kindern, die ihre Herkunftsländer aus unterschiedlichen Gründen verlassen müssen. In Deutschland lernen sie sich kennen, sie schließen Freundschaften, aber sie kommen auch mit Feindseligkeit und Rechtsextremismus in Berührung. Kinder verschiedener Kulturen arbeiten hier zusammen, erkennen ihre Fähigkeiten und Talente und stärken ihr Verständnis für einander.
Das Stück war für die Kinder eine Möglichkeit, ihren Träumen und Wünschen Ausdruck zu verleihen. Teilweise war es sogar möglich, ihre eigenen (Flucht-)Erfahrungen in einer sicheren Umgebung zu verarbeiten. Sie setzten sich mit Angst, Hoffnung, Zorn oder Wut auseinander. Diese Emotionen traten in dem Stück immer wieder in Form verschiedener bedrohlicher oder auch rettender Wesen auf. Durch diese magisch-realistische Erzählform wurde ein Schutzraum geschaffen, in dem Konflikte zwischen Gut und Böse erlebt und komplexe Gefühle verarbeitet werden konnten. Der intensive Austausch zwischen Schülern verschiedener Kulturen, die durch die Kunst zusammengebracht wurden, konnte außerdem einen entscheidenden Beitrag für ein verbessertes gegenseitiges Verständnis leisten.
Schritt für Schritt zum Erfolg
Die 250 Kinder der Grundschule wurden mit verschiedenen Techniken drei Monate lang im Rahmen des Unterrichts an den Prozess der Stückentwicklung herangeführt. Durch Malen, beispielhaftes Lesen, Erzählen von Geschichten und durch die Gestaltung einer Ausstellung zu den Themen Heimat, Kulturen, Werte, Religion, Sitten und Bräuche wurden die Schüler*innen vorbereitet. Daraufhin arbeiteten die Klassen eins bis sechs autonom an den Handlungssträngen; nur Ausgangs- und Endpunkte waren vorgegeben. Die Schüler*innen gestalteten die Figuren und schrieben auch die Dialoge selbst. Anschließend wurde das Erarbeitete szenisch umgesetzt und die Besetzung vorgenommen. Für jedes Kind wurde dabei eine passende Rolle oder Gruppe gefunden, die für das Gesamtwerk wichtig waren. Neben Schauspieler*innen wurden auch Mitarbeitende für den Chor oder die Bühnenwerkstatt gesucht. Ab Januar 2015 wurde täglich in wechselnden Gruppen geprobt, so dass das Stück am 23. April seine Premiere feiern konnte.
„Dem Lernen Flügel verleihen“
Die Grundschule Borchshöhe ist eine Ganztagsschule mit sechs „Lernhäusern“. Hier arbeiten die Kinder von Klasse 1 bis 6 jahrgangsgemischt zusammen. Individuelle Lernphasen, fächerübergreifende Projekte und Fachkurse wechseln sich dabei ständig ab. ‚Die soziale Entwicklung ist neben dem vernetzten Lernen ein wichtiger Schwerpunkt. Um die Zufriedenheit und Konzentration der Schüler zu gewährleisten, lernen sie in ihrem eigenen Rhythmus. „Dem Lernen Flügel verleihen“, so lautet die Devise der Schule.
Viel Engagement in Schule und sozialem Umfang
Die Kinder der Schule Borchhöhe kommen zu 45 Prozent aus Familien mit Migrationshintergrund, bei 35 Prozent der Schüler ist eine soziale Vernachlässigung sichtbar. Diese Schüler erhielten durch das Projekt die notwendige Hilfe bei der Entfaltung ihres Potentials.
Das Projekt wurde dauerhaft von Lehrer*innen, aber auch von Künstler*innen und Pädagog*innen begleitet. Unabdingbar für den Erfolg des Stücks war der Regisseur, Komponist und Schauspieler Hans Koenig, der für „Stadt der Schatten“ die Regie übernahm und von den Schüler*innen bereits zu einer Fortsetzung des Projekts gebeten wurde. Weitere Unterstützung erhielten die Schüler von einer Diplom Kunst- und Theaterpädagogin, einer Kunstpädagogin und Bühnenbildnerin sowie einer gelernten Kostümbildnerin. Der Förderverein übernahm logistische Aufgaben, half beim Auf- und Abbau des Bühnenbildes und bei der Ausgestaltung des Veranstaltungsraumes. Darüber hinaus organisierte er für die Veranstaltungen Essen, Trinken und Pausenangebote, machte Öffentlichkeitsarbeit und unterstützte das Projekt im Rahmen seiner Möglichkeiten finanziell.
Der Schulverein
Der Schulverein Borchshöhe wurde im Jahr 2001 gegründet. Er hilft und unterstützt in vielen Bereichen des Schullebens, beispielsweise bei der Bibliothek und der Schach AG, bei Musik-und Theaterprojekten, bei Sportfesten, Ausflügen und Klassenfahrten. Die Gruppe der Aktiven setzt sich aus Eltern, Lehrkräften und den Schulleiterinnen zusammen. Aufgrund der sozialen Struktur der Schule stehen dem Verein nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung. Nichtsdestotrotz unterstützten die Ehrenamtlichen das Theaterprojekt im Rahmen ihrer Möglichkeiten, übernahmen logistische Aufgaben und sorgten zusätzlich für Öffentlichkeitsarbeit.