Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) veröffentlichte das Institut für Partizipation und Kommunalbereatung (IPK) ein Policy Paper zu „Kriterien guter Jugendbeteiligung in der Umweltpolitik“. Jugendliche und erwachsene Expert*innen sowie Multiplikator*innen wirkten durch die Teilnahme an zwei Fachgesprächen an der Erarbeitung der Kriterien mit.
Für die Stiftung Bildung nahm Carolin Peters an den Gesprächen teil. Sie vertritt als hauptamtliche Projektmanagerin das Projekt youpaN, in dem 30 junge Menschen ehrenamtlich bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Bildung für nachhaltige Entwicklung mitwirken. Das Projekt wird bereits seit 2017 von der Stiftung Bildung umgesetzt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Jugendbeteiligung in Deutschland
Die Notwendigkeit, junge Menschen an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, wird von immer mehr Menschen anerkannt. Auch in der Bundespolitik hat sich in Sachen Jugendbeteiligung in den letzten Jahren einiges getan. Gerade in der Umwelt- und Klimapolitik engagieren sich viele junge Menschen auf vielfältige Art und Weise: sei es durch Protest auf der Straße und in sozialen Bewegungen, in der Jugendverbandsarbeit oder durch das Engagement in Gremien. Einige Erfolge wurden dabei in den letzten Jahren bereits erzielt: In Kommunen und auf Landesebene sind z.B. Kinder- und Jugendparlamente, entstanden und auch auf Bundesebene wurden Beteiligungsformate geschaffen. In 11 von 16 Bundesländern wurde das aktive Wahlalter für Kommunalwahlen auf 16 herabgesenkt. Generell ist die Anzahl an Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen auf Bundesebene jedoch ungleich geringer als auf kommunaler Ebene. [1]
Handbuch zum Aufbau von Jugendparlamenten. Erarbeitet vom Jugendrat Liechtenstein und der Initiative Jugendparlament
im Rahmen der Europäischen Jugendpartizipationskonferenz
Handbuch zum Aufbau von Jugendparlamenten (PDF-Datei)
Hier bedarf es also eines quantitativen Anstiegs. Hinter dem Schlagwort Partizipation steht jedoch ein Prozess, der gut geplant sein will, um wirksame Jugendbeteiligung zu garantieren. Die Qualität bestehender und neuer Formate muss gewährleistet werden. Das Policy Paper stellt dafür Kriterien guter Jugendbeteiligung in der Umweltpolitik vor und empfiehlt Handlungsmaßnahmen.
„Jugendbeteiligung auf Bundesebene muss sich immer ehrlich machen: Sie darf keine falschen Hoffnungen wecken. Sie muss die realen Einflusschancen und auch die Grenzen von Selbstwirksamkeit der jungen Menschen transparent machen. Jugendbeteiligung darf nicht den Eindruck erwecken, dass es hier schon um die eigentlichen Entscheidungsprozesse geht, sondern es muss deutlich werden, dass es um die Vorbereitung und Beeinflussung von Entscheidungsprozessen geht, dass also der konsultative Charakter im Fokus steht, was durchaus ein sehr bedeutsamer Beitrag zur demokratischen Planung und Gestaltung sein kann. Dabei muss die Jugendbeteiligung die jungen Menschen befähigen, ihre Einflussmöglichkeiten offensiv zu nutzen.“
Stange, Waldemar; Jansen, Bernward Benedikt; Brunsemann, Claudia (2021). Policy Paper – Kriterien guter Jugendbeteiligung in der Umweltpolitik – Bestandsaufnahme und Empfehlungen, S.25
Qualitätsanalyse und Weiterentwicklung bestehender Formate der Jugendbeteiligung
Die Autor*innen des Policy Papers Waldemar Stange, Bernward Benedikt Jansen und Claudia Brunsemann entwickelten auf Grundlage der Fachgespräche und u.a. unter Einbezug wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Jugendbeteiligung, Publikationen zu Bürgerbeteiligung sowie einer detaillierten Jugend-Partizipationstheorie [3] eine dreigliedrige Kriterienstruktur: sie unterscheiden strukturelle, prozess- und ergebnisbezogene Qualitätsstandards und -kriterien voneinander. Mit diesen können Beteiligungsformate auf ihre Qualität überprüft und nachhaltig weiterentwickelt werden.
Das in einer Kurz- und einer Langfassung erschienene Dokument ist hier abrufbar und eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich mit der Beteiligung Jugendlicher auseinandersetzen. Sowohl innerhalb des Bereichs Umweltpolitik als auch darüber hinaus stellt das Policy Paper einen Orientierungsrahmen für wirksame Jugendbeteiligung dar, der die Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Beteiligungsformaten ressortübergreifend vergleichbar macht.
Beispiele von Jugendbeteiligung auf Bundesebene
- Die Kinderkommission im Deutschen Bundestag
- Deutschen Bundesjugendring und seine auf Bundesebene agierenden Mitgliedsverbände Bundesarbeitsgemeinschaft kommunale Kinder-Interessenvertretung
- das Deutsche Kinderhilfswerk
- der Deutsche Kinderschutzbund
- die Bundesschülerkonferenz (BSK)
- die Jugendpolitiktage
- das Projekt „JDD-Jugend-Demografie-Dialog“ im Rahmen einer der Arbeitsgruppen
- zur Demografiestrategie der Bundesregierung („Jugend gestaltet Zukunft“) aus der vorangegangenen Legislaturperiode
- die Jugendbroschüre des 15. Kinder- und Jugendberichts
- die Jugend-Audits im Rahmen der Jugendstrategie
- die BMUV-Jugendstudie
- den in Gründung befindlichen Beirat des BMZ
- das Austauschformat des BMAS zur „Digitalen Arbeitsgesellschaft“
- der YOU:KO-Jugendkongress 2019 „Vernetzt“ des BMI
- das BMEL-Projekt „Jugend ernst nehmen – das Modellprojekt zur Jugendbeteiligung:
- Junge Menschen im Gemeinwesen verwurzeln als Standortfaktor im ländlichen Raum“
- youpaN, ein Jugendgremium zur Beteiligung junger Menschen an der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans BNE [2]
Das Beitragsbild zeigt Amelie Paassen und Simon Gottowik aus dem youpaN beim Tag der offenen Tür im Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger. Copyright: BMBF/Hans-Joachim Rickel
[1] Stange, Waldemar; Jansen, Bernward Benedikt; Brunsemann, Claudia (2021). Policy Paper – Kriterien guter Jugendbeteiligung in der Umweltpolitik – Bestandsaufnahme und Empfehlungen, S.23
[2] Stange, Waldemar; Jansen, Bernward Benedikt; Brunsemann, Claudia (2021). Policy Paper – Kriterien guter Jugendbeteiligung in der Umweltpolitik – Bestandsaufnahme und Empfehlungen, S.24-25
[2] Der Partizipationswürfel ist ein ursprünglich 2006 von Hermann Josef Abs entwickeltes Instrument zur Beobachtung und Begleitung demokratiepädagogischer Praxis. Dieser weist auf drei Seiten Kategorien der Dimensionen Partizipationsbereiche, -formen und -modi auf und rückt sie durch die dreidimensionale Ansicht gleichzeitig ins Blickfeld. Prof. Wolfgang Stange ergänzt und verändert den Würfel durch Reichweitenkategorien, eine neue Version der Partizipationsleiter und eine Dimension der strukturellen Verankerung und Verbindlichkeit der Partizipation (S.41).