Wie das Patenschaftsprogramm Kinder individuell und in der Gruppe unterstützen kann
Mit dem Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ können Kindern und Jugendlichen Chancen eröffnet werden sich zu erproben und neu zu erfahren. Überall in Deutschland sind Kita-Kinder und Schüler*innen in sogenannten Patenschaftstandems unterwegs und lernen mit- und voneinander. Ob ein Projekt innerhalb von Kita und Schule stattfindet oder Pat*innen eigenständig in der Freizeit etwas miteinander unternehmen, letztlich geht es immer um die Eröffnung von Möglichkeiten zur Stärkung von Bildung. Es gibt unzählige Varianten, wie das Programm genutzt werden kann, denn es funktioniert an Kitas genauso wie an allen Arten von Schule. In der Kita Maria Königin in Mainz-Weisenau bereiten sich gerade Kinder-Tandems als Zirkus-Projektgruppe auf ihr diesjähriges Kita-Fest vor.
Der Besuch der Projektmanagerin
Es ist früher Nachmittag. Ich öffne die Tür zum Mehrzweckraum. Etwa ein Dutzend Kinder und zwei Frauen sitzen auf einer Turnmatte. Verschiedene Gerätschaften und Materialien stehen und liegen herum. Ich trete ein und alle Köpfe drehen sich zu mir um. Man erwartet mich bereits, denn mein Besuch ist angekündigt. Neugierige Blicke, ein Lächeln hier, ein Grinsen da: Spannung liegt in der Luft. Die Kita-Leitung, Anja Zerbe, stellt mich den Kindern und ihrer Kollegin, Esther Stenner, vor. Beide Frauen begleiten die 4- bis 6jährigen Pat*innen im Projekt.
Heute wird nicht nur trainiert, sondern eine erste Aufführung gezeigt. Das hätten die Kinder am heutigen Vormittag entschieden, erklärt Frau Zerbe. Mir wird ein Stuhl angeboten, dann treten Frau Zerbe und Salim vor die Gruppe.
Chancen eröffnen und stärken – so funktioniert das Patenschaftsprogramm
Salim, 6 Jahre alt, ist hier der Zirkusdirektor und kündigt die verschiedenen Auftritte der jungen Künstler*innen und Artist*innen an. Dabei bekommt er Hilfe von der Erzieherin. Eigentlich hatte Salim erst gar nicht mitmachen wollen. Er war sich unsicher gewesen, ob ihm ein Mittun in der Zirkus-Patenschaftsgruppe Spaß machen würde. Und ein bisschen Angst davor hatte er auch. Da die Gruppe aus einer geraden Anzahl von Kindern bestand, die sich in Tandems zusammengefunden hatten und gemeinsam auftreten wollten, mangelte es zuletzt an einem Zirkusdirektor-Tandem. Frau Zerbe hatte eine Idee und rief mich kurzerhand an: „Darf ICH vielleicht ausnahmsweise als Patin mitmachen?“ Eigentlich wollen wir Patenschaften zwischen Gleichaltrigen fördern, doch Ausnahmen bestätigen manchmal die Regel. Ich bespreche mit Frau Zerbe die Einzelheiten, erkundige mich nach dem Warum und Wieso. Schnell wird klar: Hier ist eine Ausnahme eine wirklich gute Sache!
Salim und die Kita-Leiterin werden Patin und Pate und gehören jetzt als Direktor-Tandem mit zur Truppe. Mit der Zusage seiner großen Patin, ihn zu unterstützen, traut sich Salim mitzumachen. Er überwindet seine Zurückhaltung und Scheu und agiert freudvoll und sehr ambitioniert.
Jetzt kündigt er laut und deutlich die Kinder an, die mir gleich am Trapez ihre Kunststücke zeigen wollen. Dabei steht er ganz allein vor allen Anwesenden und macht seine Sache richtig gut.
Ich bin fasziniert, was die Kinder in kurzer Zeit gelernt haben. Frau Stenner, Erzieherin in der Kita und früher selbst aktiv als Akrobatin, leitet professionell an. Der Applaus ist groß, als sich alle Trapezkünstler*innen vor der Gesamtgruppe aufreihen und verneigen. Der Zirkusdirektor preist am Ende der Trapezeinlagen noch einmal lautstark den Auftritt und fordert damit das Publikum erneut auf, Applaus zu spenden. Die Kinder beklatschen sich gegenseitig und bestärken sich im gemeinsamen Tun. Es folgen Zaubertricks, Balance-Akrobatik und vieles mehr.
Chancen werden genutzt und sichtbar
Als die „starken Männer“ mit ihrer Jonglage an der Reihe sind, ergreift Salim plötzlich Hanteln und bindet sich ein. Der Spaß steht ihm ins Gesicht geschrieben und alle freuen sich mit ihm an der Darbietung. Frau Zerbe und ich nicken uns zu: Diese Ausnahmepatenschaft zwischen ihr und dem Jungen eröffnet nachvollziehbar Chancen!
In wenigen Wochen ist die große Aufführung im Rahmen des Kita-Sommerfestes. Die Kinder diskutieren schon, welche Kostüme sie für den jeweiligen Teil der Vorstellung tragen wollen. Laut erzählend und kein bisschen müde verlassen sie nach einer knappen Stunde den Mehrzweckraum und gehen hinunter in den Garten. Es gibt einen kleinen Snack am Nachmittag. Ich nutze die Möglichkeit, mich mit der Kita-Leiterin noch etwas zu unterhalten und erfahre von wunderbaren, „verborgenen“ Entwicklungen, die im Laufe des Tandemprojektes stattgefunden haben.
Im Verborgenen liegt der Zauber
Nicht ein großartiges Ergebnis eines Projektes ist das Wesentliche im Programm „Menschen stärken Menschen“, sondern die scheinbar kleinen Dinge, die sich am Rande und ganz leise, fast nebenbei ereignen und die Herzen von Pädagog*innen höherschlagen lassen. Kinder überwinden Hürden, wagen Neues, erleben sich verändert und sind dadurch beglückt und gestärkt. Darauf zielt das Bundesprogramm ab. Inzwischen sind über die Stiftung Bildung mehr als 5.000 Tandems bundesweit gestiftet worden.
Bericht und Fotos: Dorothee Kreling