Geschichtslernen vor Ort
Am 9. Juli 2004 detonierte in der Köln-Mülheimer Keupstraße, die das Zentrum des türkischen Geschäftslebens darstellt, eine Bombe. 22 Menschen werden verletzt, vier davon schwer. In einer Kooperation zwischen dem Hölderlin Gymnasium Köln, der Willy Brandt Gesamtschule und der Initiative „Keupstraße ist überall“ setzen sich Schüler*innen mit der Geschichte der Immigration und des Rassismus in ihrer Stadt auseinander. Mit der Hilfe von Experten erarbeiten sie ihre Version der Geschichte, und präsentieren die Ergebnisse anschließend in einer Stadtteil-App als digitalen Geschichtspfad. Die Schüler*innen setzten sich teilweise mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinander und lernen Verantwortung für ihre Darstellung der Ereignisse zu übernehmen.
Das Projekt erstreckt sich über ein Jahr und wird von den Schüler*innen teilweise im Unterricht, größtenteils aber in Feldforschungen, Treffen mit der Initiative oder in Arbeitsgruppentreffen außerhalb des Unterrichts erarbeitet. Die Schüler können die Stadt frei erkunden, interviewen Anwohner und besuchen von La Talpa e.V. veranstaltete Workshops, die unterschiedliche Deutungen der Geschichte behandeln. Bei der Erarbeitung ihrer Version der Geschichte Mülheims werden die Schüler von Filmemachern, Historikern und Betroffenen der Initiative „Keupstraße ist überall“ begleitet. Im Rahmen des Projekts konnten 25 von ihnen den NSU-Prozess in München besuchen und als Prozessbeobachter das Geschehen in dem Gerichtssaal dokumentieren. Ein weiteres Highlight stellte der Aktionstag mit einem Filmteam dar.
Nachdem die erarbeiteten Inhalte in die App eingestellt werden, soll das fertige Produkt im Sommer 2016 präsentiert werden. Um das Fortbestehen des Projekts zu sichern, sollen jährlich Schulungen für so genannte Stadtcoaches stattfinden.
Be- und Aufarbeitung mit verschiedenen Partnern
Die Erarbeitung der App ermöglichte es den Schülern, sich mit der umkämpften Geschichte ihrer Stadt auseinander zu setzen. Als Bekannte und Angehörige von Opfern des Nagelbombenanschlags sind einige Schüler selbst von rassistischer Gewalt betroffen, und beteiligen sich somit im Rahmen des Projekts an der Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte. Die Schüler erfahren sich darüber hinaus als historisch-politisch handelnde Personen, die, etwa gegenüber Betroffenen, Verantwortung für ihre Darstellung übernehmen müssen.
Neben La Talpa, Keupstraße ist überall und der Willy Brandt Gesamtschule Köln wurde für die Realisierung des Projekts auch mit dem DOMiD e.V. zusammengearbeitet, der eine beratende Funktion übernahm. Der Förderverein koordiniert die Kooperation zwischen Schule und La Talpa, hilft bei der Beantragung von Fördergeldern und wird die Schüler bei der Verwaltung von Anfragen für Stadtführungen unterstützen.
Die Schule und der Förderverein
Der Förderverein des Hölderlin Gymnasiums wurde 1964 gegründet und unterstützt alle Fachbereiche bei der Durchführung von Projekten, die helfen, die technische Ausstattung der Schule zu verbessern. Er unterstützt außerdem Eltern, die die Kosten für Klassenfahrten und Ausflüge alleine nicht tragen können, begleitet das Engagement der Schüler, in dem er Material für die Verschönerung des Schulgeländes bereitstellt, und bietet der Schule organisatorische Hilfe.
Das Hölderlin-Gymnasium Köln ist ausgezeichnet als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und möchte seine Schüler*innen in einem möglichst umfassenden Sinne studierfähig machen und sie individuell fördern.