Appell an den Bundeskanzler und die Länderchefinnen und -chefs
Leistungsdefizite, Chancenungleichheit, Fachkräftemangel: Die massiven Probleme im deutschen Bildungssystem verletzen die Rechte jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung und haben Folgeschäden für die gesamte Gesellschaft. Deshalb erfordern sie politisches Handeln in gesamtstaatlicher Verantwortung. Ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften appelliert an den Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.
Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldet keinen weiteren Aufschub. Aus dieser Überzeugung heraus richtet ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften erneut einen gemeinsamen Appell an alle Verantwortlichen in der Politik. Die aktuelle Form der Zusammenarbeit zwischen den politischen Ebenen wird der Dimension der Herausforderung nach Ansicht der Unterstützerinnen und Unterstützer des Appells nicht gerecht. Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle Verantwortlichen in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten.
Die Alarmsignale sind längst unverkennbar und zeigen sich bereits in der frühen Bildungsphase: Bundesweit fehlen Hunderttausende Kita-Plätze, zudem können viele Kitas aufgrund einer nicht kindgerechten Personalausstattung ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen. An den Grundschulen wiederum gehen die Leistungen seit Jahren zurück, vor allem in den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen. Auch an den weiterführenden Schulen sinkt das Leistungsniveau auf allen Ebenen dramatisch. Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss bleibt hoch. Zugleich wächst die Zahl junger Menschen, die im Berufsleben den Anschluss verlieren: Mehr als eine halbe Million junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren gehen weder einer Arbeit noch einer schulischen oder beruflichen Ausbildung nach. Neben individuellen Risiken erwachsen daraus auch soziale und wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft. Ein Kernproblem deutscher Bildungspolitik bleibt über alle Bildungsstufen hinweg ungelöst: Bildungserfolge hängen hierzulande noch immer zu stark von der sozialen Herkunft ab. Auf diese Weise werden die Chancen und Rechte von Kindern und Jugendlichen beschnitten und Begabungen vergeudet.
Strukturelle Probleme angehen: Fachkräftemangel, Finanzierung, Steuerung
Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe geben: Dem Bildungssystem gelingt es immer weniger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Das liegt zum einen am massiven Mangel an Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren noch zu verschärfen droht. Darunter leiden nicht nur die Verfügbarkeit und Qualität der Bildungsangebote an Schulen und Kitas, sondern auch das vorhandene Personal. Die steigende Arbeitsbelastung, insbesondere durch nicht-pädagogische Aufgaben, mindert die Attraktivität der Berufsbilder und schreckt künftige Nachwuchskräfte ab. Die Engpässe haben auch Folgen für die Wirtschaft: Fehlende Plätze in Kitas und der Ganztagsförderung von Grundschülerinnen und -schülern erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, während häufiger Unterrichtsausfall die Vermittlung grundlegender Kompetenzen für die Fachkräfte von morgen behindert.
Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Bildungssystems dar. Sie ist häufig weder auskömmlich noch sozial gerecht. Gerade im Bereich der außerschulischen Angebote ist das Geld zu knapp und nicht langfristig zugesichert. Zudem werden Gelder noch immer zu oft nach dem Gießkannenprinzip verteilt, anstatt sie gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten bewirken können.
Schließlich behindert die Struktur des Bildungssystems selbst Anpassungen und Reformen. Die unsystematische Verflechtung der politischen Ebenen erfordert komplexe Abstimmungen, sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts, als auch mit den Trägern. Wohin das führt, zeigen zum Beispiel die zähe Umsetzung des Digitalpakts, der schleppende Ausbau des Ganztagsangebots für Grundschulkinder, die stagnierende Inklusion oder das Fehlen bundesweiter Qualitätsstandards in vielen Bereichen. Gefragt ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, wie sie der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.
Es braucht eine Initialzündung auf höchster politischer Ebene
Allerdings lässt es die Dringlichkeit der Probleme nicht zu, auf eine Neuordnung der kommunalen und föderalen Zuständigkeiten zu warten. Die Missstände im Bildungswesen reichen weit über Kitas und Schulen hinaus. Sie gefährden sowohl die Chancen und Rechte jedes einzelnen jungen Menschen als auch die Zukunft unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie. Bildung soll den jungen Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung helfen und Orientierung bieten. Sie soll es ihnen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Sie soll ihnen die Kompetenzen vermitteln, um in der immer komplexeren Arbeitswelt ihren Platz zu finden. Bildung ist die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand, Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit unserer demokratischen Gesellschaft. Daher ist es erforderlich, jetzt die Weichen für ein leistungsfähigeres, begabungs- und chancengerechteres Bildungssystem zu stellen.
Um den dringend benötigten Reformprozess herbeizuführen, braucht es eine Initialzündung auf höchster politischer Ebene. Ein Nationaler Bildungsgipfel wäre das starke Signal, die Bildung endlich zur gemeinsamen Chef- und Chefinnensache zu erklären. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den Bildungs-, Wissenschafts- und Jugendministerinnen und -ministern von Bund und Ländern, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft sowie Eltern, Kinder und Jugendliche zusammenzubringen. Der Nationale Bildungsgipfel sollte den Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren. Dabei müssen sich alle relevanten Akteure auf gemeinsame Ziele sowie geeignete Maßnahmen verbindlich einigen und darauf hinwirken, diese in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung pragmatisch, lösungsorientiert und entschlossen umzusetzen. Denn nur mit vereinten Kräften kann der Neustart in der Bildung als elementare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingen.
Den Appell unterstützen:
AJA Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch
Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.
Allgemeiner Schulleitungsverband Deutschlands (ASD)
Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
AWO Bundesverband e.V.
Bertelsmann Stiftung
Berufsverband für Lerntherapeut:innen (BLT e.V.)
Bildungsrat von unten
Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V. (SV-Bildungswerk)
BöfAE e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft öffentlicher und freier Ausbildungsstätten für Erziehe-rinnen und Erzieher)
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Erzieher
Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)
Bundeselternrat
Bundesverband der Kita- und Schulfördervereine e.V.
Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB)
Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V.
Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland e.V. (BÖB)
dbb beamtenbund und tarifunion
Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. (DeGeDe)
Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik e.V.
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
Deutsche Liga für das Kind e.V.
Deutsche Telekom Stiftung
Deutscher Caritasverband
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Deutscher Lehrerverband
Deutscher Städtetag
Deutscher Volkshochschul-Verband e. V.
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Deutsches Komitee für UNICEF e.V.
Diakonie Deutschland
Didacta Verband e.V.
Dieter Schwarz Stiftung
Dieter von Holtzbrinck Stiftung GmbH
Flossbach von Storch Stiftung
Ganztagsschulverband e.V.
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
GGG – Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule – Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V.
Grundschulverband e.V.
Helga Breuninger Stiftung
Heraeus Bildungsstiftung
Internationaler Bund (IB) Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.
Joachim Herz Stiftung
Karg-Stiftung
Kita-Fachkräfte-Verband Hessen e.V.
Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen e.V.
komba gewerkschaft
Körber-Stiftung
Landesverband Sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin e.V.
Montag Stiftungen
Montessori Bundesverband Deutschland e.V.
Montessori Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V.
Netzwerk Offene Arbeit Deutschland
Reinhard Mohn Stiftung
Robert Bosch Stiftung
Roland Berger Stiftung
Schöpflin Stiftung
Schule im Aufbruch
Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e. V.
SOS-Kinderdorf e.V.
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Stiftung Bildung
Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
Stiftung Kinder forschen
Stiftung Lernen durch Engagement
Stiftung Lesen
Teach First Deutschland
Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit
Verband Bildung und Erziehung (VBE)
Verband deutscher Musikschulen e.V. (VdM)
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. – Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft
Verband für Kitafachkräfte NRW e.V.
Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e.V.
Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg
Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V.
Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz
Verband Kitafachkräfte Saar
Verband Sonderpädagogik e.V.
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di
Vodafone Stiftung Deutschland
VPK – Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e. V.
Wübben Stiftung Bildung
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland