Die zuletzt viel zitierte Zeitenwende muss auch in der Bildungspolitik ankommen: Wir fordern die zwingend notwendigen Investitionen in die Zukunft der Kinder und Jugendlichen, in Bildung sowie in die Stärkung des bundesweiten Bildungsengagements. Ein kritischer und konstruktiver Blick der spendenfinanzierten Stiftung Bildung auf die ersten bildungspolitischen Entscheidungen der Ampel.
Wenn Deutschland auch in Zukunft Innovations- und Bildungsstandort sein möchte, muss die Politik jetzt handeln und entsprechende Maßnahmen für beste Bildung jetzt auf den Weg bringen. Schließlich ist sie die wichtigste und nachhaltigste Ressource, die Deutschland besitzt. „Wir fordern die Bundesregierung auf, Bildung in der politischen Debatte weiterhin stark zu betonen und umfangreiche Investitionen bereitzustellen. Nur so können wir beste Bildung – hochwertig, inklusiv und chancengerecht – für alle Kinder und Jugendlichen erreichen“, sagt Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung.
„Außerdem werden uns die Auswirkungen von Pandemie, Klimakrise und von Kriegen wie jetzt in der Ukraine, aber auch weiterhin weltweit, in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten vor große Herausforderungen stellen. Bildung kommt bei deren Bewältigung eine Schlüsselrolle zu, die noch viel stärker zum Tragen kommen muss“, hebt Katja Hintze heraus. Hilfreich wäre dabei das Verankern der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in unserem Bildungssystem, die Fortführung erfolgreicher Bundesprogramme wie „Menschen stärken Menschen“, ein Aufholpaket 2.0 sowie ein starkes zivilgesellschaftliches Bildungsengagement, das nicht nur ausreichend finanziert, sondern vor allen Dingen eng in politische Prozesse eingebunden ist.
Die Forderungen der Spendenorganisation Stiftung Bildung im Detail zum Koalitionsvertrag und den ersten 100 Tagen der Bundesregierung:
Mehr Investitionen in Bildung
Die Regierung spricht sich für eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Bildungsausgaben aus [1], hat aber bisher keine konkrete Summe genannt und bleibt im Nebulösen. Die große Koalition hat in der Vergangenheit ebenfalls eine Steigerung der Bildungsausgaben angekündigt, blieb dann aber weit hinter den Erwartungen zurück. „Unsere Empfehlung ist eine schnelle Anhebung der Bildungsausgaben auf mindestens 10–12% des BIP und eine unbürokratische, zielgerichtete Bereitstellung der Gelder für Investitionen in Schulbau und Sanierung, Ausstattung, Fachkräfte sowie ihre Fortbildung und für den Ausbau der Kita- und Ganztagsbetreuung“, so Katja Hintze.
Beste Bildung kostet Geld, aber es sind Ausgaben, von denen am Ende alle profitieren: wir als Gesellschaft jetzt, jede*r Einzelne, Unternehmen und kommende Generationen. Mehr Investitionen in Bildung sind für uns der sichtbarste Ausdruck einer tatsächlichen Fortschrittskoalition.
Stärkung des zivilgesellschaftlichen Bildungsengagements
Die Ampel-Regierung hat vor, das zivilgesellschaftliche Bildungsengagement zu unterstützen und außerschulische Akteur*innen in politische Prozesse einzubinden [2]. Wir haben uns zu diesem Thema Anfang Februar mit Abgeordneten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke im Rahmen eines digitalen Soundings (zur Aufzeichnung) ausgetauscht und dabei Möglichkeiten für eine Bundesförderung der fünf Bundesbildungsengagement-Strukturen aufgezeigt.
Diese sind: die Bundesschülerkonferenz (BSK), die Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi), der Bundeselternrat (BER), der Bundesverband der Kita- und Schulfördervereine (BSFV) und die Stiftung Bildung.
Rechtlich steht dieser Förderung, anders als in den letzten Jahren von der Politik angenommen, nichts im Wege (das juristische Gutachten der Stiftung Bildung (PDF-Datei)). Wir sind nach der Veranstaltung und den Rückmeldungen aus der Politik vorsichtig optimistisch, dass eine Förderung kommen kann. Wir empfehlen, dass die finanzielle und strukturelle Förderung bereits im neuen Bundeshaushaltsplan ab 2022 in Höhe von 5 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen wird.
In den ersten 100 Tagen wurde der Unterausschuss bürgerschaftliches Engagement eingesetzt, um weiter die Rahmenbedingungen für dieses zu verbessern. Wir begrüßen das ausdrücklich und wünschen uns eine Weiterführung des Dialogs, damit sich noch mehr Menschen für das Bildungsengagement begeistern und Engagierte optimal unterstützt werden.
„Menschen bringen sich ehrenamtlich mit ihrer Zeit und Expertise in Kita und Schule ein und helfen so mit, beste Bildung für alle Kinder zu erreichen. Ihr Beitrag zu unserem Bildungssystem ist von unschätzbaren Wert. Die Politik muss dieses Potenzial anerkennen, wertschätzen und fördern“, sagt Hintze. Dabei gehe es aber nicht darum, den Staat von seinen Pflichten zu entbinden, ganz im Gegenteil, das bundesweite Bildungsengagement ist nah an der Basis und eine sehr gute und frühzeitige hinweis- und Rat gebende Expertise, wo der Staat handeln muss und welche Instrumente die geeignetsten sind. Eine Steigerung der Bildungsinvestitionen kann somit noch mehr Bildungsengagement bewirken und befördert einen sich selbst verstärkenden Positivkreislauf für unsere Kinder.
Bildung für nachhaltige Entwicklung und den Dialog mit Schüler*innen verankern
„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist ein weiterer zukunftsorientierter Bildungsbereich und im Koalitionsvertrag verankert. Erfreulich ist die Ankündigung, dass der Nationale Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in allen Bildungsphasen und -bereichen bundesweit verankert und deutlich gestärkt [3] werden soll. Die erneute Einsetzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (PBnE) als einer der ersten Schritte erachten wir als wichtig und richtig. Tempo sollte hier angesichts der Weltgeschehen angezeigt sein.
Wir werden den gesamten BNE-Prozess mit unserem Jugendbeteiligungs-Panel youpaN weiter konstruktiv begleiten und uns dafür einsetzen, dass BNE einen noch größeren Stellenwert bekommt. Das youpaN existiert seit fünf Jahren und ist ein Beispiel für gelungene Jugendbeteiligung. Es arbeitet als Jugendvertretung an der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans BNE mit und bringt sich u.a. mit eigenen Forderungen ein.
Auch begrüßen wir ausdrücklich, dass die neue Regierung, Abgeordnete und auch die Bildungsministerin Stark-Watzinger schon in den ersten 100 Tagen mehrfach den Dialog mit Schüler*innen gesucht haben. Diese positive Entwicklung des Dialoges mit den direkt Betroffenen im Bildungssystem gilt es beizubehalten, auszubauen und zu verstetigen.
Jahrzehnt der Bildungschancen – Mit Aufholpaket 2.0, Menschen stärken Menschen und Digitalpakt 2.0
Wir begrüßen, dass die neue Regierung sowohl über ein Aufholpaket 2.0 als auch einen Digitalpakt 2.0 [4] nachdenkt, denn wir sehen, dass mit der Pandemie und der sich zurzeit durch weitere Weltereignisse verstärkenden Fluchtbewegung die Bildungsungerechtigkeiten leider größer werden. Der eigene familiäre Hintergrund hat weiterhin einen großen Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder. Eine Verstetigung des Bundesprogramms „Menschen stärken Menschen“ und ein weiteres Aufholpaket 2.0 und natürlich ein Digitalpakt 2.0 sind unserer Meinung nach geeignete Maßnahmen und ein Anfang, um diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren.
Wir empfehlen darüber hinaus, neben der DSEE, DKJS auch die Stiftung Bildung und das Bildungsengagement im Aufholpaket als Träger*innen aufzunehmen, da sie ja direkt und gezielt mit Kindern und Jugendlichen im Umfeld von Kita und Schule mit großem ehrenamtlichen Engagement arbeiten. Die Stiftung Bildung und das Bildungsengagement haben mit unserem Programm Chancenpatenschaften gezeigt, dass wir über unser bundesweites Netzwerk der Kita- und Schulfördervereine schon jetzt allein in diesem Patenschaftsprogramm über 30.000 Kinder und Jugendliche direkt vor Ort in den Bildungseinrichtungen erreichen und nachhaltig fördern konnten und können.
Kinderrechte im Grundgesetz verankern:
Fragt die Kinder und die Jugend – in allen sie betreffenden Fragen!
Laut Koalitionsvertrag möchte die Regierung die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und sich dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention orientieren [5]. Als Stiftung Bildung setzen wir uns explizit für die Rechte von Kindern und Jugendlichen ein und befürworten daher die geplante Gesetzesänderung, wodurch das Recht auf Bildung und auch das Recht auf Frieden eine noch größere Bedeutung bekommen würden.
Die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung sind nicht nur von der Pandemie, sondern auch von Krieg und Friedensbestrebungen geprägt. Wir appellieren dringend an die Politik, Entscheidungen dazu transparent und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft zu treffen. Es sind vor allem junge Menschen, über deren Zukunft entschieden wird. Bindet sie im Sinn der UN-Kinderrechtskonvention ein, lasst sie zu Wort kommen und berücksichtigt ihre Meinung bei allen sie betreffenden politischen Entscheidungen.
[1] Aus dem Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, S. 96.
[2] ebd., S. 95.
[3] ebd., S. 98.
[4] ebd., S. 93.
[5] ebd., S. 98.
Die Stiftung Bildung wirkt als bundesweite Themenanwältin für Bildung und Spendenorganisation direkt an der Basis über das bundesweite Netzwerk des Bildungsengagements sowie der Kita- und Schulfördervereine, sie stärkt die Handelnden, fördert Partizipation und Vielfalt und lässt Ideen vor Ort Wirklichkeit werden.