Kein Klimaschutz ohne Bildung
Im Juni 2023 stellte die Regierung ihren Entwurf für eine Reform des Klimaschutzprogramm (KSP) vor. Es beinhaltet einen Katalog klimapolitischer Maßnahmen, der die Regelungen des Klimaschutzgesetzes (KSG) ergänzt. Letzteres wurde zuletzt 2022 reformiert, nachdem das Bundesverfassungsgericht Teile davon 2021 als unvereinbar mit den Grundrechten erklärte.
Über den Entwurf berät der Bundestag am 22. September ab 13.10 Uhr. (Mehr Informationen dazu auf der Internetseite des Bundestages.) Im Klimaschutzprogramm sollen die wichtigsten Maßnahmen der Klimapolitik gebündelt werden, es soll das “deutsche Klimaziel für 2030 erstmals in Reichweite” bringen, so die Koalition. (Quelle: Internetseite der Bundesregierung)
Mehr Kinder- und Jugendbeteiligung im der Klimapolitik
Begrüßenswert ist, dass im Programm Maßnahmen formuliert wurden, damit junge Menschen sich stärker in der Klimapolitik beteiligen können. So heißt es im Abschnitt “Sektorübergreifende Maßnahmen und Maßnahmen zur Gestaltung einer gerechten Transformation” u.a.:
“Die für Klima- und Energiepolitik zuständigen Ressorts werden Jugendbeiräte oder andere Beteiligungsformate einrichten, um einen regelmäßigen thematischen Austausch mit den Fachreferaten und der Leitungsebene sowie die Beteiligung bei Konsultationen und Anhörungen zu wichtigen Entscheidungen im Klima- und Energiebereich, zu ermöglichen.”
– Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023): Entwurf eines Klimaschutzprogramms 2030, S.28, abrufbar auf der Internetseite des Ministeriums
Leerstelle Bildung
Maßnahmen für den Klimaschutz im Bereich der Bildung werden im Entwurf hingegen leider fast gar nicht thematisiert. Zwar wird erkannt, dass “die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Sektoren entscheidend davon anhängt, dass auch sektorübergreifend die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen und in Querschnittsfragen die richtigen Antworten gegeben werden.” Die “Reihe unterstützender Maßnahmen” in verschiedenen Bereichen, bezieht den Bildungsbereich jedoch kaum mit ein.
So ist im Entwurf des Klimaschutzprogramms zwar die Rede von einer Qualifizierung von Fachkräften zur Montage neuer Heizungen, davon abgesehen verweist das BMWK in Punkto Bildung jedoch lediglich auf die Fachkräftestrategie der Bundesregierung vom Oktober 2022. Diese sieht zwar einen Anstieg der Qualität deutscher Bildungsangebote vor, setzt dabei allerdings einen klaren Fokus auf die Berufsbildung und das Studium.
“Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der kontinuierlichen Modernisierung der Aus- und Fortbildungsordnungen, insbesondere mit Blick auf Kompetenzen zur Bewältigung der ökologischen und digitalen Transformation In diesem Kontext setzen die neuen Standardberufsbildpositionen für die duale Ausbildung Mindeststandards, u.a. zu Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz.”
– Auszug aus der Fachkräftestrategie, S.14, abrufbar auf der Internetseite der Bundesregierung
Dem Umstand, dass Kinder und Jugendliche schon viel früher mit Fragestellungen nachhaltiger Entwicklung, Digitalisierung und Umweltschutz in Berührung kommen und bereits in der Phase der Berufsorientierung und –wahl Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit entscheiden können, wird so nicht ausreichend Rechnung getragen. Sowohl in Kitas und Schulen als auch in der non-formalen/ informellen Bildung werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Eine konsequente Klimaschutzpolitik muss daher eine Bildung ermöglichen, die von Beginn an nachhaltige Fähigkeiten vermittelt, wie das Lösen komplexer Probleme; die aktive Gestaltung der Gesellschaft. Lassen wir die Bildung dafür beim Klimaschutz außer Acht, droht uns ein doppelter Verlust: wir verpassen die Chance selbst die Fachkräfte auszubilden, die wir dringend für die Bewältigung der Herausforderungen der Erderhitzung brauchen.
Dass insbesondere in Punkto Klimabildung noch großer Handlungsbedarf besteht, verdeutlichen aktuelle Studien: “Umwelt-, Natur- und Klimaschutz offenbar weniger wichtig als noch 2020” heißt es in der Studie Umweltbewusstsein 2022 des Umweltbundesamtes (S.14, Abrufbar auf der Internetseite der Umweltbundesamt). Als größere Herausforderung für die Gesellschaft bewerten die Befragten der Studie den Zustand von Gesundheits- und Bildungssystem, soziale Gerechtigkeit sowie Krieg und Terrorismus.
Wolfgang Lucht, Erdsystemwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellt fest: “Als Gesellschaft befinden wir uns noch immer in einer Phase der Verweigerung, dieses Problem zu erfassen und dann auch wirklich anzuerkennen. (…) Wir sind in der Lage, für einen Krieg oder gegen eine Pandemie zu mobilisieren, scheinen aber nicht fähig zu sein, ebenso für erneuerbare Energie, einen reduzierten Ressourcenverbrauch und eine angepasste Lebensweise zu mobilisieren.“ (Quellen: Internetseite der Klimareporter und ZEIT Online) .
Knapp ein Drittel der Deutschen bewertet den Klimawandel nicht als “sehr ernstes Problem”, so eine Sonderausgabe des Eurobarometers aus diesem Jahr (Quelle: Internetseite der Europäischen Union). Zugleich sind 76% der Befragten davon überzeugt, in den letzten sechs Monaten selbst etwas zur Bekämpfung des Klimawandels beigetragen zu haben. Diesbezüglich liegt Deutschland weit über dem Durchschnitt der Europäischen Union (63%). Viele Menschen in Deutschland sind also überzeugt, dass sie aktiv zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Gleichzeitig warnen Wissenschaftler*innen immer wieder: Das Ziel den Ansteig der globalen Temperaturen auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen sei kaum noch erreichbar und sind sich einig: Die bisher ergriffenen Klimaschutz-Maßnahmen reichen nicht aus. (Quelle: Bericht des ZDF)
Mit Bildung für nachhaltige Entwicklung gegen Fachkräftemangel und Klimawandel
Die Bundesregierung sieht sich selbst in der Verantwortung, der Klimakrise „mit der größtmöglichen Entschlossenheit entgegenzutreten, auch um die Freiheit zukünftiger Generationen zu schützen.“ (BMWK: Entwurf eines Klimaschutzprogramms 2030, S.1). Um der Erderhitzung und dem Verlust der Biodiversität adäquat begegnen zu können, muss in der Gesellschaft ein Bewusstsein über wirkungsvolle Handlungsmöglichkeiten gegen eine weitere Erderhitzung etabliert werden. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) kann dies leisten. BNE geht über die reine Vermittlung von Fach- und Faktenwissen hinaus und vermittelt Werte und Kompetenzen. Menschen werden zu zukunftsfähigem und vorausschauendem Denken befähigt. So können sie die Auswirkungen ihres individuellen Handelns verstehen und damit verantwortungsvolle und nachhaltige Entscheidungen treffen.
Das Konzept BNE sollte entlang der gesamten Bildungskette umgesetzt werden – von der frühkindlichen Bildung über Schule und Ausbildung bis hin zum Studium und der beruflichen Fort- und Weiterbildung. Bereits in der Kita und Schule sind viele junge Menschen aktiv und stoßen Veränderungen an. Darüber hinaus sollten insbesondere den Bereichen des non-formellen und informellen Lernens beim Klimaschutz mehr Beachtung geschenkt werden. Es gilt, die hier bereits zahlreich engagierte Zivilgesellschaft einzubeziehen und zu stärken, denn sie ist für die Transformation zwingend notwendig und agil in Handeln. Zivilgesellschaft muss Stärkung erfahren, krisenfest aufgestellt werden und auch durch die Finanzierung von Beteiligungs- und Klimaschutzprojekten sowie von Weiterbildungsmöglichkeiten durch oder in der Zivilgesellschaft eingebunden werden.
Weiterführende Links
Mehr zu BNE erfahren Sie auf unserer Themenseite Bildung für nachhaltige Entwicklung, der Internetseite des BNE Jugendforums youpaN und auf dem BNE-Portal.