Im Herzen der Oststadt Neubrandenburgs, einem Stadtteil, dessen Bewohner*innen nicht nur mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen haben, befindet sich ein Ort, der Hoffnung und Fortschritt symbolisiert – die Pädagogische Werkstatt der RAA Neubrandenburg als Dreh- und Angelpunkt eines gewachsenen Bildungsnetzwerks. Die Devise ist klar: Kein Kind darf verloren gehen.
Thomas Evers, stellvertretender Geschäftsführer der RAA Mecklenburg-Vorpommern e.V. und Leiter des Projekts „Ein Quadratkilometer Bildung“, führte das Team Chancenpatenschaften Mecklenburg-Vorpommern der Stiftung Bildung durch einen spannenden und lehrreichen Tag, an dem wir mit pädagogischen Fachkräften von insgesamt vier verschiedenen Standorten sprachen, die bereits an den Chancenpatenschaften teilgenommen haben und uns ganz unterschiedliche und vielseitige Einblicke in ihre Arbeit und ihr Engagement gaben.
Ein Quadratkilometer Bildung
Begonnen im Jahr 2015, nimmt sich der Quadratkilometer der Herausforderung an, gerechte Bildung für alle Kinder sicherzustellen, insbesondere für diejenigen, die einen „besonders großen Rucksack“ tragen. In Neubrandenburg arbeitet das Projekt mit 1.800 Kindern, vorrangig aus Familien, die Transferleistungen beziehen und auf vielerlei Ebenen mit eingeschränkten Teilhabemöglichkeiten zu kämpfen haben. Mit einem Netzwerk von mittlerweile 220 pädagogischen Fachkräften, die über Kita, Schule und Hort hinweg zusammenarbeiten, ist das Ziel klar: Maßnahmen planen und umsetzen, die Kinder und Jugendliche individuell auf ihrem Bildungsweg begleiten und unterstützen.
Ein ganzheitlicher Ansatz: Methoden und Maßnahmen
Das Projekt setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz. Neben Kompetenzportfolios, in denen die Entwicklungsstände der Kinder ressourcenorientiert und alltagsnah durch Erzieher*innen und Lehrkräfte dokumentiert werden, gründen sich regelmäßig Lesepatenschaften. Zahlreiche Ehrenamtliche führen Kinder so an die Welt der Bücher heran und begeistern sie Wort für Wort für das Lesen. Die wichtigste Säule aber bilden speziell für Kinder entwickelte Sozialkompetenztrainings – gefördert durch die Stiftung Bildung über das Programm Chancenpatenschaften. Hier lernen Kinder einen fairen und respektvollen Umgang miteinander und entwickeln emotionale und soziale Kompetenzen – in Bezug auf ihre eigenen Stärken, aber auch das Miteinander in der Gruppe.
Die Trainings werden bisher an 6 verschiedenen Standorten im Stadtteil Oststadt Neubrandenburg umgesetzt: in Gruppen mit Vorschulkindern von 4 Kitas – der Kita Lütt Matten, der Kita Morgenstern, der AWO Kita Knirpsenland & der Kita Einstein der Lebenshilfe – sowie mit den Grundschüler*innen von 2 Horteinrichtungen: der Hort der Lebenshilfe Neubrandenburg & der Hort des ASB.
Standortbesuche: Einblicke und Erfolge
Unser Besuch umfasste vier der sechs geförderten Standorte, darunter zwei Kitas und zwei Horte, die seit 2021 am Programm Chancenpatenschaften teilnehmen. Die einzelnen Gespräche zeigten verschiedene Facetten der Wirkungsweise und Nachhaltigkeit der Trainings auf – von den Kindern und Jugendlichen selbst, über die Pädagog*innen vor Ort und der eigenen Organisation bis hin zur gesamten Entwicklung der Oststadt Neubrandenburgs.
- In der Kita Lütt Matten sprachen wir mit Frau Stadach und Frau Weiß über die Erfolge und Herausforderungen der Sozialkompetenztrainings. Ein wichtiger Bestandteil sei der Fokus auf die eigenen Stärken und Gefühle als Basis für die Trainings. Die eigenen Gefühle zuzulassen, sie zu benennen und mit ihnen umzugehen lernen, ist für die Kinder ein fundamentaler Schritt in der Entwicklung sozialer Kompetenzen. Zudem förderten die Trainings nicht nur die Kinder, sondern sensibilisierten auch das pädagogische Personal – sowohl im Hinblick auf die Wahrnehmung der Kinder im Gruppenalltag als auch hinsichtlich der eigenen pädagogischen Haltung.
- Im Hort des ASB teilte Frau Risch mit unserem Team der Chancenpatenschaften in Mecklenburg-Vorpommern ihre Beobachtungen: Die Sozialkompetenztrainings wirkten wie ein Kieselstein, der ins Wasser geworfen wird und weitere Kreise zieht. Mit weiteren Anschlussaktivitäten möchte der Hort die Trainings ergänzen und nachhaltiger gestalten, indem das Erlernte in anderen sozialen Settings geübt und gefestigt wird. So stärkte zum Beispiel ein Besuch in der naheliegenden Kletterhalle die Tandemkinder beim Aufbau von Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein. Als Tandem meisterten die beiden Kinder gemeinsam die Herausforderung – das Klettern in ungeahnten Höhen und die Sicherung des Kletterpartners. Der anschließende Rollentausch schärfte das Bewusstsein für die Gefühle, Ängste und Situation des anderen und wirkte sich darüber hinaus nachhaltig positiv auf das gesamte Gruppengefüge aus. Eine wichtige Fähigkeit also, von der der Hort hofft, sie den Kindern auf ihren weiteren Lebensweg mitgeben zu können.
- Im Hort der Lebenshilfe erläuterte die Leiterin Frau Schöning, wie die Trainings Kindern aus 15 Nationen helfen, soziale Kompetenzen zu entwickeln und Traumata sowie Armut zu begegnen. Insbesondere im Kontext des Hort- und Freizeitbereichs zeigen sich oft unvorhersehbare Situationen in neuen Gruppenkonstellationen. Daher sei es überaus wichtig, dass belastende Gefühle, die sich im Zuge der Trainings bei den Kindern zeigten, sensibel aufgefangen und pädagogisch begleitet werden. So sind die Trainings auch für die Erzieher*innen ein Lernprozess und geben Methoden an die Hand, wie sie Herausforderungen gut begegnen können. Viele Anregungen aus den Trainings greift sie gemeinsam mit den Kindern im Hortalltag und auch im konkreten Krisenfall auf und verweist auf Verabredungen und Gelerntes.
- In der Kita Einstein der Lebenshilfe sprachen Frau Preckler, Frau Stapel und Herr Brühn über das stärkenorientierte Kompetenzportfolio und die zunehmende Verankerung der Sozialkompetenztrainings im Kita-Alltag. Kooperative Spiele wie “das Schwungtuch” oder der Eisschollen-Weg sowie gemeinschaftlich aufgestellte Regeln auf Wandplakaten tragen dazu bei, dass die Trainingsinhalte im alltäglichen Miteinander lebendig bleiben und im Konfliktfall als Stütze dienen können.
Fazit
Der Besuch in der Pädagogischen Werkstatt der RAA Neubrandenburg, des Quadratkilometers und den dazugehörigen Standorten war eine eindrucksvolle Erfahrung. Besonders in einem herausfordernden Stadtteil wie der Oststadt Neubrandenburg ist die Zusammenarbeit in einem Bildungsnetzwerk von großer Bedeutung, denn sie bietet nicht nur individuelle Unterstützung für die Kinder und deren Lebensweg, sondern trägt auch entscheidend zur sozialen und kulturellen Entwicklung der gesamten Region bei. Lebendige Erziehungs- und Bildungspartnerschaften entlang einer Bildungskette vom Eintritt in die Kita bis zum Schulabschluss legen hier den wichtigen Grundstein und fördern lokale Verantwortungsgemeinschaften. Wir als Stiftung Bildung sind stolz darauf, mit unserem Programm Chancenpatenschaften und seinem Peer-to-Peer-Ansatz einen Beitrag zur Verbesserung von Bildungschancen und einer Stärkung der Selbstwirksamkeitserfahrungen der Kinder und Jugendlichen vor Ort zu leisten.
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