Die Stiftung Bildung ist Unterzeichnerin des offenen Briefes an Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Thema Transparenzregister. Der Brief wurde gleichlautend verschickt an: Bundesminister*innen des BMEL, BMFSFJ, BMI sowie die Kulturstaatsministerin, Ministerpräsident*innen der Länder und Fraktionsvorsitzende des Bundestages.
Brief zum Download (PDF-Datei, www.buendnis-gemeinnuetzigkeit.org)
Sehr geehrter Herr Minister,
selten war der gesellschaftliche Zusammenhalt so wichtig wie in der Coronakrise. Nur wenn alle Verantwortung füreinander übernehmen und zumindest vorübergehend eigene Entfaltungsrechte zurückstellen, kann die kollektive Eindämmung der Pandemie gelingen. In dieser Zeit zeigt sich, wie sehr gesellschaftlicher Zusammenhalt eine gelebte Einstellung und Tugend ist.
Bürgerschaftlich Engagierte gehen auch in der gegenwärtigen Krise einen Schritt weiter. Ihr Engagement ist wesentlicher Teil des Zusammenlebens in Deutschland: Sie gestalten das Gemeinwesen, übernehmen Verantwortung und stoßen Veränderungen an. Für viele Menschen schaffen sie – auch in der Pandemie – soziale Orte. Im vergangenen Jahr haben sie sich für jene eingesetzt, die von der Covid-19-Pandemie besonders betroffen sind und entwickelten unzählige Projekte wie Spenden- und Mitmachaktionen zum Erhalt unterschiedlichster Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens.
Dabei trifft die Corona-Pandemie auch die Zivilgesellschaft. Das Vereinsleben muss unter erschwerten Bedingungen gestaltet werden. Bereits jetzt berichten 100.000 der über 600.000 deutschen Vereine von Mitgliederaustritten, zahlreiche gemeinnützige Organisationen erleiden dramatische Einnahmerückgänge und durchleben infolgedessen eine existenzielle Krise.
Nichts wäre schädlicher, als die organisierte Zivilgesellschaft, die Infrastrukturen von Engagement und gesellschaftlichem Zusammenhalt, gerade jetzt zu schwächen!
Doch genau in diesen Wochen werden Vereinen in ganz Deutschland Gebührenbescheide des Bundesanzeiger Verlags für die Führung des Transparenzregisters zugestellt. Mit Hinweis auf das Geldwäschegesetz wird von allen Vereinen die Entrichtung einer Gebühr rückwirkend für die letzten vier Jahre gefordert. Dabei bleibt häufig ungeprüft, ob die Vereine überhaupt schon seit drei Jahren bestehen.
Für viele Engagierte ist das ein Affront, zumal in den Anschreiben die Intention des Transparenzregisters nicht erläutert wird und auch eine Gebührenbefreiung für die gemeinnützigen Organisationen aufwändig ist. Gefühlt kommt der Vorgang daher einer Beweislastumkehr gleich.
Das bürokratiegewordene Misstrauen ist unverhältnismäßig, wenn man in Betracht zieht, dass über die Hälfte der Vereine in Deutschland Jahreseinnahmen von weniger als 10.000 € haben und die meisten über keine hauptamtlich besetzte Geschäftsstelle verfügen.
Durch die problematische Umsetzung gerät die Einrichtung eines Transparenzregisters zu Unrecht selbst in die Kritik. Auch zeigt sich einmal mehr, dass die überwiegend (zu ca. 95 %) gemeinnützige Vereinslandschaft in Deutschland ein europäischer Sonderfall ist. Bei der Umsetzung eines europäischen Transparenzregisters ist dies nicht adäquat berücksichtigt worden.
Es ist also kaum verwunderlich, dass die Reaktionen bei Engagierten teilweise heftig ausfallen. Die demotivierende Wirkung durch das Misstrauen und die unverhältnismäßige Bürokratisierung konterkarieren jegliche Bemühung um eine Anerkennungskultur für bürgerschaftliches Engagement. Die Gründung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt im vergangenen Jahr war ein gutes Beispiel für den Einsatz der Politik, der Bürokratisierung entgegenzuwirken und die Vereinsarbeit zu unterstützen.
Wir fordern daher:
- Den aktuellen Versand von Gebührenbescheiden zu stoppen und bereits gezahlte Gebühren zu erstatten.
- Keine neuen eigenständigen Meldepflichten für gemeinnützige Vereine einzuführen. (Die im Entwurf des Transparenz-Finanzinformationsgesetz Geldwäsche (TraFinGw) (PDF-Datei, www.bundestag.de) geplanten zusätzlichen Meldepflichten erhöhen die bürokratische Mehrbelastung und gehen, da auf wirtschaftliche Aktivitäten abzielend, an der Realität gemeinnütziger Vereine vorbei. Denn die Vereine sind mit ihren rechtlichen Vertreter*innen im Vereinsregister bereits eingetragen und die Einnahmen und Ausgaben werden mindestens alle drei Jahre vom Finanzamt geprüft.)
- Die automatische Gebührenbefreiung für Vereine, deren Gemeinnützigkeit vom Finanzamt anerkannt wurde, ohne gesonderten Antrag umzusetzen. Auch die Bundesländer setzen sich im Bundesrat für die Gebührenbefreiung von gemeinnützigen Vereinen ein (Drs. 133/21).
- Auch laufende Gesetzgebungsverfahren, wie z. B. das TraFinGw, auf ihre Bürokratiebelastung für das bürgerschaftliche Engagement zu überprüfen und anzupassen.
- Darüber hinaus soll zukünftig im Sinne einer Engagementverträglichkeitsprüfung die Bürokratiebelastung für rein ehrenamtlich getragene Strukturen systematisch abgebaut und in laufenden Gesetzgebungsverfahren geprüft werden.
Wir hoffen sehr, dass mit Ihrer Unterstützung den freiwillig Engagierten die bürokratischen Stolpersteine aus dem Weg geräumt und das zivilgesellschaftliche Engagement gestärkt werden können.
Für ein Gespräch stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Die Initiator*innen und die Stiftung Bildung
Erich Steinsdörfer
Mitglied des Sprecher*innenrats Bündnis für Gemeinnützigkeit
Marie-Alix Frfr. Ebner von Eschenbach
Mitglied des Sprecher*innenrats Bündnis für Gemeinnützigkeit
Clara Wengert
Mitglied des Sprecher*innenrats Bündnis für Gemeinnützigkeit
Veronika Rücker
Vorstandsvorsitzende Deutscher Olympischer Sportbund
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer Deutscher Kulturrat
Prof. Dr. Frank Druffner
Vorstandsvorsitzender Dachverband der Kulturfördervereine
Dr. Holger Krimmer
Geschäftsführer Zivilgesellschaft in Zahlen
Birgit Bursee
1. Vorstandsvorsitzende Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen
Dr. Thomas Röbke
Sprecherratsvorsitzender Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
Lisi Maier
Vorsitzende Deutscher Bundesjugendring
Prof. Dr. Kai Niebert
Präsident Deutscher Naturschutzring