„Klasse ist sehr viel mehr als die Beziehung zu den Produktionsmitteln nach der marxistischen Definition. Die Klasse bestimmt dein Verhalten und deine grundsätzliche Lebensauffassung. Dein Bewußtsein wird von den Erfahrungen beeinflußt, die wiederum von Deiner Klasse bestimmt sind, davon, wie du gelernt hast, dich zu verhalten, was du von dir und anderen erwartest, deine Zukunftsvorstellungen, wie du Probleme erlebst und sie verarbeitet, wie du denkst, fühlst und handelst” (Rita Mae Brown (The Last Straw) zit. n. Meulenbelt 1993: 60).
Wann hast du gemerkt, dass Menschen mehr besitzen als du? Wann hast du bemerkt, dass Menschen weniger besitzen als du?
Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich auch die Teilnehmenden des Workshops “Einführung in den Klassismus” auf der youcoN. Während die einen schon Erfahrungen und Berührungspunkte mit Klassismus hatten, war das Thema für andere ganz neu.
Was ist Klassismus überhaupt?
Doch was ist Klassismus überhaupt? „Klassismus ist eine Form der Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse. Menschen werden dabei unterschiedlich behandelt, je nachdem in welcher finanziellen oder sozialen Situation sie sich befinden (oder in der sie vermutet werden).
Klassismus wird oftmals noch weniger beachtet als andere Formen der Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Er zeigt sich mit aber auch in Verbindung mit anderen Arten wie Rassismus oder Sexismus.”
Richtig populär wurde der Begriff aber erst richtig mit der 68er Bewegung und durch das US-amerikanische Kollektiv „The FURIES” im Jahr 1974 (Falls ihr mehr dazu lesen wollt, habe ich hier mal einen spannenden Artikel verlinkt).
Trotzdem ist die Klassenfrage in Deutschland generell immer noch eine schwierige. Insbesondere heutzutage verfestigen und schärfen sich die Grenzen zwischen den Klassen, die Armen werden immer ärmer und die Reichen immer reicher.
Mit dem Privilegiencheck die eigene Position reflektieren
Ein großer Teil des derzeitigen Diskurs wird oftmals auch von größtenteils privilegierten Akademiker*innen geführt, so auch in diesem Workshop. Bei einer Art “Privilege Check” zeichnete sich schon sehr deutlich ab, dass die meisten der Teilnehmenden auf ein Gymnasium gehen oder gegangen sind und auch anstreben zu studieren oder schon dabei sind. Dieses grundsätzliche Problem der Debattenführung wurde zwar auch ausführlich im Rahmen des Workshops thematisiert, es hat diesen Raum aber auch nicht verlassen.
Es ist definitiv wichtig anzuerkennen, dass es schwieriger ist, Nicht-Akademiker*innen für Veranstaltungen wie die youcoN zu erreichen. Auch die Teilnehmenden merkten an, dass Azubis, Arbeitende oder andere Nicht-Akademiker*innen grundsätzlich weniger Kapazitäten und Strukturen zu Verfügung haben, als Akademiker*innen. Daher wahrscheinlich auch die besagte Verteilung im Workshop. Wer arbeitet, auf Geschwister aufpassen muss oder weniger soziale Kapazitäten zu Verfügung hat, wird wahrscheinlich kaum Raum finden, eine viertägige Veranstaltung in Mannheim zu besuchen.
Trotzdem können natürlich auch Akademiker*innen Erfahrungen mit Klassismus machen, schließlich sind nicht alle Akademiker*innen automatisch von allen Diskriminierungsformen, inklusive Klassismus befreit. Auch dies wurde in dem Workshop thematisiert. Ob nicht finanzierbares Auslandsjahr, fehlende Unterstützung von der Familie und Lehrer*innen oder auch rechtliche Benachteiligung aufgrund von Sanktionen, zum Beispiel gegenüber Beziehenden von Arbeitslosengeld II. In den anderthalb Stunden kam viel zu Sprache.
Junge Menschen für den Wandel motivieren
Doch fest stand für alle: um Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse zu bekämpfen, braucht es einen intersektionalen Ansatz und Menschen, die sich organisieren und über ihre Erfahrungen, Probleme und Lösungsansätze sprechen. Denn nur so können wir als Gesellschaft Bewegungen starten, die die Kraft haben, etwas langfristig wirklich nachhaltig zu verändern, zu revolutionieren.
Der Workshop, der am Ende des Tages ja auch nur ein “Einstieg in den Klassismus” war, ist somit ein toller Anfang gewesen, junge Menschen, inklusive mir, zu motivieren, einen Wandel anzutreiben.
Quellen:
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-86226-445-2_2
Dieser Artikel wurde geschrieben von Merle Rittinghaus. Merle ist im Rahmen der youcoN 2022 Teil der Jugendredaktion der Jungen Presse e.V.. In ihrem Magazin www.youthmag.de berichtet die Redaktion live von der Jugendkonferenz und stellt uns diesen Beitrag freundlicherweise zur Verfügung. Seit über 70 Jahren setzt sich die Junge Presse ehrenamtlich für medieninteressierte Jugendliche ein und ist einer der größten bundesweit aktiven Jugendmedienverbände. Als Teil der youthmag-Redaktion sammeln die Redakteur*innen erste praktische journalistische Erfahrung und probieren sich so aus.