Warum Schenken glücklich macht

Gastbeitrag des Online-Magazins Prinzip Apfelbaum

Wirtschaftlich gesehen ist Schenken zwecklos. Wer aber anderen aus vollem Herzen eine Freude macht, fühlt sich selbst auch glücklicher. Warum schenken glücklich macht, haben Forscher unlängst in einem Experiment untersucht.

Die schlechte Nachricht zuerst, wir wollen uns schließlich noch steigern können: Wirtschaftlich betrachtet ist Schenken völlig sinnlos. Klar eigentlich, denn ein Geschenk kostet etwas, bringt aber nichts ein. Wir meinen das reine Schenken, nicht Bestechung oder „politische Landschaftspflege“.

Ein Bekannter hat es dennoch versucht. Gleich, nachdem er seinen Landwirtschaftsbetrieb in einem kleinen Dorf im Norden eröffnet hatte, versuchte er Kund*innen auf eher ungewöhnliche Weise zu gewinnen: indem er seine Waren verschenkte! Er stellte potentiellen Käufer*innen einfach Körbe und Kisten voll mit schönstem Obst und Gemüse vor die Tür, das auf seinem Hof gewachsen war: knackigen Salat, saftige Äpfel, kräftigen Kohl, dazu Kräuter, Kartoffeln und einen Blumenstrauß obendrauf. Zuerst waren die Leute verunsichert und misstrauisch; sie fragten sich, ob an dem Geschenk vielleicht etwas faul sei? Dann freuten sie sich aber und lobten seine Köstlichkeiten. Ein Teil der Beschenkten dachte vermutlich, dass sich der Mann das Verschenken offenbar leisten könne. Andere, die sich vielleicht insgeheim an die Stirn tippten, nahmen das Gemüse trotzdem gern: einem geschenkten Gaul guckt man bekanntlich nicht ins Maul.

Zugegeben, nach anfänglichen Zweifeln hielt auch ich damals diese Art der Akquise für besonders geschickt: Die Kund*innen anfüttern – hier sogar im Wortsinn – und dann aus den geweckten Bedürfnissen ein Geschäft machen, das am Ende sogar Gewinn abwirft? Clever. Ob aber die Käufer*innen wirklich dauerhaft über solcherart „Schenkung“ gewonnen werden können? Das würde sich erst zeigen, wenn sie zur Kasse gebeten würden. Der Tag kam. Sie ahnen es? Richtig. Mit einer einzigen Ausnahme verzichteten alle der anfangs Beschenkten dankend auf das vorher so gelobte Gemüse. Geld ausgeben wollten sie dafür dann doch nicht. Warum ich das erzähle? Ganz einfach: Der scheinbar so geschickte Bauer hatte unterschätzt, dass seine angeblich selbstlose Schenkung von Anfang an als absichtsvoll erkannt worden war. Und damit sind wir wieder beim Anfang: Wirtschaftlich gesehen ist Schenken also zwecklos.

Wer selbstlos schenkt, wird selbst glücklich

Deshalb weg von dieser Geschichte mit schlechtem Ausgang. Bleiben wir aber beim Wort „zwecklos“. Denn, das ist die gute Nachricht, und sie ist kurz und wunderbar: Schenken macht glücklich. Ja! Nicht Schenken voller Hintergedanken, siehe oben, sondern Schenken einfach so, aus vollem Herzen, mit dem einzigen Zweck, einem oder mehreren oder sogar vielen Menschen Freude zu machen. Das sich die Beschenkten darüber freuen, das ist eher nicht verwunderlich. Erstaunlicher indes ist die Erkenntnis, dass auch wir Schenkenden glücklich werden! Und das nicht erst, wenn wir ein Geschenk überreichen, sondern schon vorher, beim daran Denken oder den Vorbereitungen.

»Nicht nur die Beschenkten, auch wir Schenkenden werden glücklich! Und das schon beim daran Denken oder den Vorbereitungen.«

Und damit wir jetzt wegkommen vom dem Bild im Kopf, dass ein Geschenk immer ein Päckchen sein muss, schön verpackt, mit einer Schleife drumrum: „Geschenk“ und Schenken kann alles sein, das wir Anderen zum Geschenk machen können: uns selbst, unsere Zeit, unser Leben, und ja, auch unser Vermögen. Klingt pathetisch. Ist aber so.

Erinnern wir uns an ein paar Wochen, die viele von uns wohl als Problem und, bestenfalls, als die Lösung eines „Problems“ im Kopf haben: Denken wir an die Zeit Ende 2015, als in Deutschland erst Tausende, dann Zehntausende ankamen. Viele der Flüchtlinge hatten eine monatelange Odyssee hinter sich. Viel war damals von der Anstrengung die Rede, die die Aufnahme und Unterbringung dieser Menschen koste. Schon gar deren Integration. Und das stimmt ja auch.

Sehr wenig indes hörte man in diesen dramatischen Wochen und hört man bis heute das Wörtchen „ Glück“. Und ich meine eben nicht das Glück, das diejenigen empfanden, denen geholfen wurde, weil sie seit langem mal wieder ruhig schlafen konnten, sondern das Gefühl, das all jene empfanden, die ihre Hilfe verschenkten. Bei einer Befragung von 3000 ehrenamtlichen Helfer*innen hat man herausgefunden, dass sich 28 Prozent „emotional wärmer“ fühlten und 22 Prozent von ihnen „weniger deprimiert“ waren, eben genau, weil sie anderen Menschen helfen konnten. „Ehrenamt statt Ruhestand“ heißt es nicht ohne Grund für viele Ältere. Die eigenen Probleme relativieren sich also, wenn man anderen etwas schenkt. Und man lebt in dem guten Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun.

Glücksforschung belegt Glückseffekte des Schenkens

Die Wissenschaft vom Glück – Ja, die gibt es! – ist zwar noch jung, hat aber Glückseffekte des Schenkens längst untersucht und wissenschaftlich nachgewiesen. Eine Studie hat das Team um die Psychologin So Young Park von der Universität Lübeck im Sommer 2017 veröffentlicht. Mittels einer funktionellen Magnetresonanztherapie konnte die internationale Forschergruppe nachweisen, welche Folgen Großzügigkeit für das eigene Wohlbefinden hat.

Das Experiment ging so: Man versprach fünfzig Proband*innen Geld. Die eine Hälfte sollte es für andere einsetzen, die andere bekam das Geld, um es für sich zu behalten, nur für sich. Danach gab es eine zweite Untersuchung. Und, siehe da: die quasi schon „auf Großzügigkeit gepolte“ Gruppe war auch im zweiten Experiment großzügiger. Und, das ist vielleicht auch überraschend, diese Menschen waren zudem glücklicher als jene, die das Geld nur für sich behalten sollten. Mittels MRT haben die Forscher*innen beobachten können, dass bei den Großzügigen genau jene Hirnregionen aktiv wurden, die man schon vorher bei großzügigem Verhalten bemerkt hatte. Eine Erkenntnis, die wenn man sie auf die Gesellschaft „hochrechnet“, von enormer Bedeutung sein kann. Finden Sie nicht?

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Schenken stillt ein Ur-Bedürfnis

Der berühmte Hirnforscher und Bestsellerautor Gerald Hüther (u. a. „Was wir sind und was wir sein könnten –  ein neurobiologischer Mutmacher“) hat beim Schenken zwei Grunderfahrungen beobachtet, die übrigens bereits im Mutterleib erlebt werden: Wir wachsen und sind verbunden. Eine Erkenntnis, die belegt, dass unsere Netzwerke im Gehirn sich eben auch deshalb so anordnen, weil wir wieder und wieder nach diesen Erfahrungen suchen. Wir schenken gern, sind großzügig, nicht nur, aber eben auch, weil wir ein Ur-Bedürfnis stillen und verbunden sein wollen.

»Wir schenken gern, sind großzügig, nicht nur, aber eben auch, weil wir ein Ur-Bedürfnis stillen und verbunden sein wollen.«

Und deshalb, um zu unserem Bauern vom Anfang zurückzukommen: Schenken Sie besser nicht mit Vorsatz. Oder in der Hoffnung, etwas zurückzubekommen. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, ja, es kann passieren, dass sie etwas zurückgeschenkt bekommen. Am schönsten aber dürften letztlich die Geschenke sein, die den Beschenkten „einfach so“ einen Wunsch erfüllen; an einem ganz normalen Tag, aus keinem besonderen Anlass. Und vielleicht ist das sogar ein Wunsch, den wir gar nicht teilen –  und ihn dennoch erfüllen. Denken wir dran: Wir tun das ja eben nicht nur aus altruistischen, sondern auch aus höchst egoistischen Gründen: Wir machen beim Schenken nicht nur andere glücklich – wir tun das auch für unser eigenes Glücksgefühl.

Schließlich sei daran erinnert, was in drastisch-berlinischer Manier der erste Deutsche, der 1910 mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde, dazu geschrieben hat: der Dramatiker, Lyriker und Übersetzer Paul Heyse: „Sei zum Geben stets bereit, miß nicht kläglich deine Gaben, denk, in deinem letzten Kleid, wirst du keine Taschen haben.“

Gastbeitrag des Online-Magazins Prinzip Apfelbaum, auf der Grundlage des darin erschienen Textes „Schenken macht glücklich“ von Liane v. Billerbeck, erschienen in der Ausgabe No. 1. Alle Artikel und Ausgaben des Online-Magazins können Sie kostenlos lesen unter: www.das-prinzip-apfelbaum.de

Dies ist ein Gastbeitrag der “Initiative Apfelbaum – mein Erbe tut Gutes“. Die Stiftung Bildung benutzt eine gesellschaftlich bewusst reflektierte Sprache (bspw: mit*, Diskriminierungen vermeidend, Vielfalt der Gesellschaft sichtbar machen u.ä.) in all ihren eigenen Beiträgen, respektiert das Recht am eigenen Wort der*des Autor*in, veröffentlicht auf den eigenen Medien der Stiftung Bildung jedoch nur die der Compliance angepassten Texte.

Fotos: comfreak, S. Hermann & F. Richter, congerdesign / pixabay

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