Kommunen sind die Orte, an denen Bildungsprozesse über die gesamte Lebensspanne organisiert werden. Da bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) nicht nur dem Lernen in Institutionen, sondern auch dem non-formalen und informellen Lernen besondere Bedeutung zukommt, bieten der Bund, zum Teil auch die Länder sowie Nichtregierungsorganisationen den Kommunen Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung an.
von Manfred Beck und Katja Hintze
Alternative Kommunal Politik, Ausgabe 3|2020
Was ist BNE? Im Kern geht es dabei um eine zukunftsfähige Bildung im Sinne der Sustainable Development Goals (SDGs) der UNESCO entlang der gesamten Bildungskette. Sie soll vom Wissen zum Handeln führen. Ihre Umsetzung wird Systeme und Einrichtungen sehr verändern. Für den Bereich Schule müssen beispielsweise die Bildungspläne und die Lehrkräfteausbildung angepasst werden. In den Kommunen führt das Konzept zu einem engeren Zusammenspiel mit Nichtregierungsorganisationen. Lernorte bekommen mehr Aktions- und Freiräume, Kinder und Jugendliche mehr Mitsprachemöglichkeiten.
Internationale Programme: Längst hier angekommen
Während der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ von 2005 bis 2014 wurden bereits viele Projekte realisiert und Netzwerke entstanden. Manche Großstädte haben Stabsstellen an der Verwaltungsspitze geschaffen, in kleinen Gemeinden fühlt sich oft der oder die BürgermeisterIn verantwortlich. Aus dem Zusammenschluss der von der UNESCO ausgezeichneten Städte, Kreise und Gemeinden entstand das Partnernetzwerk Kommunen.
Im darauffolgenden Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ von 2015 bis 2019 galt es, das Konzept in allen Bildungsbereichen zu verankern. In der Nationalen Plattform BNE entwickelten Vertretungen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einen Nationalen Aktionsplan. Mit Rede- und Stimmrecht wirkt dabei auch das Jugendgremium „youpaN“ mit. In diesem Prozess haben die Kommunen einen besonderen Stellenwert, weil sie selbst nicht nur Arbeitgeberinnen und Trägerinnen von Bildungseinrichtungen sind, sondern auch Bildungslandschaften (mit-)gestalten.
NGOs: Rückenwind und ein bisschen Druck
Rückenwind bekommt dieser Prozess von Nichtregierungsorganisationen wie der spendenfinanzierten Stiftung Bildung und dem Bündnis Zukunftsbildung. Dieses ist eine Initiative von deutschen Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Jugend, Umwelt- und Naturschutz, Bildung, Entwicklung und Menschenrechte, von den großen Umwelt- Organisationen über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bis hin zu Germanwatch, Greenpeace und Welthungerhilfe.
Sie alle möchten stärker als bisher und auf Augenhöhe die BNE-Prozesse in den Kommunen mitgestalten. Dies gilt insbesondere für SchülerInnen- und Elternvertretungen sowie Kita- und Schulfördervereine. Ein besonderes Anliegen ist ihnen die wirksame Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, etwa in regionalen Jugendnachhaltigkeitsräten, wie vom „youpaN“ in der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gefordert.
Kompetenzzentrum für die Kommunen
Unterstützung bekommen die Kommunen von der Bundesregierung, dafür richtet sie derzeit ein BNE-Kompetenzzentrum ein. Das wird sich Corona-bedingt etwas verzögern; vielleicht können schon im Herbst die ersten 50 Kommunen Beratung und Unterstützung bekommen. Noch offen ist, wie das Auswahlverfahren aussehen wird.
Auch die kommunalen Spitzenverbände wirken in den BNE-Gremien mit. Unterstützung hat auch der Verband kommunaler Unternehmen angekündigt. Ferner soll im Herbst 2020 eine Website mit einer Sammlung guter Praxis in Kommunen online gehen. Dazu hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag des Bundesforschungsministeriums eine vorbereitende Studie erstellt.
Wie schnell Bildung für nachhaltige Entwicklung in der kommunalen Praxis ankommt, wird wesentlich von den zur Verfügung gestellten Ressourcen abhängen. Beschäftigte und KommunalpolitikerInnen brauchen Fortbildungsangebote. Auch Anreize helfen, etwa individuelle Karrierevorteile für Personal, das sich im Rat- oder Kreishaus für BNE engagiert. Die Kommunen können die BNE-Projektbudgets in innovative Vorhaben der lokalen AkteurInnen stecken, von der klimaneutralen, fairen Schule bis zum Essbaren Garten.
Ein Thema für das Wahlprogramm
Das neue Programm der Gelsenkirchener Grünen zeigt, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung ein wichtiges Element der Kommunalpolitik sein kann:
- Eine personell gut ausgestattete zentrale Verwaltungseinheit soll die nachhaltige Stadtentwicklung federführend organisieren.
- Bildung für nachhaltige Entwicklung soll selbstverständlicher Bestandteil der Lehrpläne aller Bildungseinrichtungen werden. Die TrägerInnen von Kindertageseinrichtungen sollen sich dafür auf ein gemeinsames Konzept verständigen.
- Das Regionale Bildungsnetzwerk soll sich kontinuierlich um die Umsetzung kümmern.
- Bildung für nachhaltige Entwicklung soll als Baustein in eine gesamtstädtische Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden werden.
Beratung und Unterstützung
Einige Bundesländer haben eigene Einrichtungen, die auch Kommunen beraten und Fördermöglichkeiten aufzeigen. Auch die Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) bieten Unterstützung. Und nicht zuletzt die NGOs: Agenda21-Büros, die im Bündnis Zukunftsbildung zusammengeschlossenen Organisationen und weitere.
Manfred Beck ist Vorsitzender des Fachforums Kommunen und Mitglied der Nationalen Plattform BNE. Der Gelsenkirchener Stadtdirektor a.D ist nordrhein-westfälischer Delegierter in der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung von Bündnis 90/Die Grünen.
Katja Hintze, M.A. phil., ist Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung, einer Spendenorganisation, die dem zivilgesellschaftlichen Bildungsengagement bundesweit eine Stimme gibt, sich für Partizipation und Vielfalt in der Bildung einsetzt und insbesondere die Kita und Schulfördervereine stärkt.
Mehr zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung
Grundlagen und Organisationen
Bündnis Zukunftsbildung
www.buendnis-zukunftsbildung.de
Grüne Bundestagsfraktion:
Engagement gefragt – Implementierung und Weiterentwicklung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland ab 2020
Drucksache 19/17796, Antrag vom 11.3.2020, PDF auf dipbt.bundestag.de:
https://gruenlink.de/1qpz
Grapentin-Rimek, Theresa: BNE-Bildungslandschaften – Kommunen als Schlüsselstellen für eine gesellschaftliche Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung
Berlin 2019, Zusammenfassung, zehn Seiten, PDF auf ewi-psy.fu-berlin.de:
https://gruenlink.de/1qlq
Greenpeace
Themenportal BNE auf greenpeace.de:
https://gruenlink.de/1qlv
Schulministerium Nordrhein-Westfalen: Leitlinie Bildung für nachhaltige Entwicklung
Düsseldorf 2019, 42 Seiten, PDF auf schulministerium.nrw.de:
https://gruenlink.de/1qq2
Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien
www.renn-netzwerk.de
Stiftung Bildung
Themenportal BNE und Spendenmöglichkeit auf stiftungbildung.org:
https://www.stiftungbildung.org/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung/
UNESCO-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung
www.bne-portal.de
Youpan
Forderungen des Jugendpanels auf youpan.de:
Youpan – Unsere Forderungen