Viele junge Menschen gehen die Zukunftsprobleme heute selbst an. Sie demonstrieren, starten Projekte und werden sogar aktiv in der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die spendenfinanzierte Stiftung Bildung unterstützt sie dabei.
„Ihr geht mit der Welt um, als hättet ihr eine zweite im Keller“
Dieser Spruch war schon in den achtziger Jahren in der aufkommenden Umweltbewegung beliebt. Jetzt steht er auf dem Banner einer Schülerin der Kinderschule Oberhavel in Oranienburg. Mit ihrem Musical „SOS Erde“ gewinnt die Schule 2017 beim Förderpreis „Verein(t) für gute Kita und Schule“ der Stiftung Bildung. Dazu haben die Kinder Kostüme und Kulissen aus Müll entworfen und eine selbstgeschriebene Geschichte vertont. Um die Finanzierung haben sich Schule und Schulförderverein gekümmert.
Selbst etwas bewegen
Die Idee für das Musical kommt von den Kindern, und sie drücken darin ihre Ängste aus. Aber auch Ideen für Umweltschutz in der Schule und zuhause in der Familie kommen auf die Bühne. Am Ende wirkt das Projekt begeisternd auf die ganze Schulgemeinschaft. Mehr Engagement von allen und neue Diskussionen sind entstanden. Und die Kinder: Sie haben erlebt, dass sie etwas bewegen können.
Aktive Bildung für nachhaltige Entwicklung
Wissen, Machen, Mitreden – das sind wichtige Säulen, damit Kinder und Jugendliche richtig aktiv werden können. „Äußerst motiviert sind viele“, sagt Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung. Denn sie wollen in Zukunft „genauso gut auf der Welt leben können wie die Generationen vor und nach ihnen“. Bildung für nachhaltige Entwicklung vermittelt den jungen Menschen konkretes Wissen über Probleme und Lösungen. In Projekten und bei Aktionen setzen sie ihre Ideen um. „Aber die müssen finanziert werden“, so Hintze. Was gemacht wird, bestimmt der Nachwuchs selbst – und lernt dabei viel für das spätere Leben.
Tauschhandel in der Schule
Welche Probleme macht unsere Konsumgesellschaft und was können wir dagegen tun? Diese Fragen stellten sich sechs Oberstufenschüler*innen der Evangelischen Schule Neuruppin in einem Seminarkurs. Ihre Antwort, mit der sie ebenfalls beim Förderpreis der Stiftung Bildung gewannen: Ein Tauschhandel für Kleidung und Accessoires in der Schule. Sie entwickelten ein Konzept bis hin zur Finanzierung aus Spenden und machten aus einem Arbeitsraum einen florierenden Laden. Das Projekt begeisterte auch andere, und nach dem Abitur konnten die sechs ihr Projekt an jüngere Schüler*innen weitergeben.
Noch einen Schritt mehr
„Wie viele Ideen und Engagement in jungen Menschen stecken, fasziniert mich immer wieder“, sagt Christoph Pennig. Zusammen mit anderen organisierte er bei der Stiftung Bildung die jährliche Jugendkonferenz youcoN. Hier gehen Menschen zwischen 14 und 27 Jahren noch einen Schritt weiter. Denn Mittelpunkt der youcoN ist die Frage: Wie lässt sich Bildung für nachhaltige Entwicklung aktiv weiter verbreiten? Die 150 Teilnehmenden wollen nicht nur selbst nachhaltiger handeln. Sie möchten auch andere davon überzeugen – von Schüler*innen und Lehrkräften bis hin zu Menschen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.
Das war die youcoN 2021: Klimagerechtigkeit für alle!
Bildung für nachhaltige Entwicklung: Ideen über Ideen
Gute Lösungen für mehr Nachhaltigkeit und Wege der Einflussnahme gibt es genug. Das zeigte zum Beispiel die youcoN 2018 eindrucksvoll. Etwa einen Feinstaubsensor als Bausatz. Damit messen Bürger*innen-Netzwerke die Belastung in Städten selbst und setzen so die Politik unter Druck. Oder eine kritische Diskussionsrunde mit dem Geschäftsführer der Autostadt Wolfsburg. Dort fand die Konferenz statt, um den Dialog mit der Wirtschaft zu suchen.
Von der Theorie zur Praxis
Doch was wird aus solchen Ideen? Auf der youcoN wird es konkret. Die Frage: Wie geht man genau vor, damit Bildung für nachhaltige Entwicklung funktioniert? Dazu gab es auf der Konferenz zahlreiche Workshops, etwa zu der Frage, was an Hochschulen besser laufen kann. Studierende der Uni Erfurt hatten einen Einfall. Sie riefen den NAMO aus, einen „nachhaltigen Monat“. Am Ende wurden daraus 36 Veranstaltungen mit über 25 beteiligten Gruppen. 50 weitere solche Projekte plant die Stiftung Bildung bis Ende 2019. YouprO heißt das Vorhaben und unterstützt junge Menschen, die sich mit einem Projekt engagieren wollen.
Ganz offiziell
Wer sich noch darüber hinaus einbringen möchte, kann das auf ganz offizieller Ebene tun. Über die Stiftung Bildung tragen junge Menschen sogar zum UNESCO-Programm „BNE 2030“ bei. Im Jugendforum „youpaN“, das von der Stiftung Bildung betreut wird, diskutieren sie seine Umsetzung auf nationaler Ebene in Deutschland mit und entsenden eine Vertretung in die Nationale Plattform BNE mit Rede- und Stimmrecht. Die Plattform engagiert sich in Deutschland für die Umsetzung des Programms. Dazu wurde sie 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzt.
Einmalig in Deutschland
Gefördert aus Mitteln des BMBF organisiert die Stiftung Bildung als einzige Programmträgerin die aktive Beteiligung von 14- bis 27-Jährigen im UNESCO-Programm. Ziel ist es, durch gezielte Bildung Menschen überhaupt erst in die Lage zu versetzen, sich nachhaltig zu verhalten. Über die Stiftung Bildung können junge Menschen in Projekten ausprobieren, wie das gelingt, und ihre Erfahrungen in den offiziellen nationalen Gremien einbringen. Es gibt kein vergleichbares Projekt in Deutschland, das den Fokus auf die nationale Gestaltung und Umsetzung von BNE legt und dabei jungen Menschen den Raum eröffnet, sich in den offiziellen nationalen Gremien als berufene Akteur*innen zu beteiligen.
BNE 2030: Bildung für die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung
Die Vereinten Nationen (UN) haben 2015 mit der Agenda 2030 die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung beschlossen. Bildung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Denn Bildung versetzt Menschen erst in die Lage, nachhaltig zu handeln – und einen Blick dafür zu entwickeln, wie sich ökologische, wirtschaftliche und soziale Ziele immer wieder in Einklang bringen lassen.
Als Teil der Agenda 2030 wurde daher das UNESCO-Programm BNE 2030 entwickelt. Es bindet gezielt junge Menschen als “Change Agents” ein. Denn: Kinder und Jugendliche sind ein unersetzbarer Motor für eine nachhaltige Zukunft – sowohl für ihre eigene als auch die ihrer Kinder. Sie sollen sich auf verschiedenen Ebenen beteiligen – von der Unterrichtsgestaltung bis hin zu politischen Entscheidungsprozessen. Umgesetzt wird das Programm in Deutschland von der Nationalen Plattform BNE mit Akteur*innen und Akteuren aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft.
youcoN: Bildung für nachhaltige Entwicklung weiter entwickeln
Beim Begriff Nachhaltigkeit denken viele nur an Umweltschutz. Doch was steckt tatsächlich dahinter? Und wie können Kindergärten, Schulen und Unis gute Bildung für nachhaltige Entwicklung machen? Auf der youcoN-Jugendkonferenz finden das regelmäßig 130 junge Menschen heraus. 2018 war ihr ungewöhnlicher Tagungsort die Autostadt Wolfsburg.
„Nachhaltigkeit in die Gesellschaft tragen“
Schon im Foyer treffen Welten aufeinander. Menschen im Businessoutfit, Familien auf Besuchstour und dazwischen einige junge Menschen, die barfuß unterwegs sind. Kein alltäglicher Anblick in der Verkaufswelt der Autostadt – und ein Kontrast, der beabsichtigt ist. „Wir wollen Nachhaltigkeit in die Gesellschaft tragen – und dazu muss man rausgehen“, sagt Christoph Pennig. Er hat die Konferenz zusammen mit anderen bei der Stiftung Bildung organisiert.
Workshops, Vorträge und Diskussionen
Vier intensive Tage liegen vor den 130 Teilnehmenden aus ganz Deutschland. Zwischen 14 und 27 Jahren sind sie alt. Im Angebot sind über 40 Workshops, Vorträge und Diskussionen. „Bewusst haben wir für den dritten Tag zusätzlich Interessierte aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft eingeladen“, erzählt Pennig.
Jeder Mensch soll sich frei entfalten können
Die großen Überschriften der Veranstaltung sind: Globale Verantwortung, Jugendbeteiligung stärken, Digitale Bildung und Gemeinsam in Aktion. Im Mittelpunkt steht immer wieder der Begriff Nachhaltigkeit. Auf eine kurze Formel gebracht, bedeutet er: Jeder Mensch soll sich frei entfalten können, ohne dass andere Menschen und die Welt beeinträchtigt werden. „Das hinzubekommen, ist nicht einfach“, sagt Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung.
Grundvoraussetzung ist gute Bildung
Für nachhaltige Entwicklung müsse man ökologische, wirtschaftliche und soziale Ziele immer wieder in Einklang bringen, erklärt Stiftungsvorsitzende Hintze. Das gilt für jeden Menschen persönlich und für alle, die in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft Entscheidungen treffen. Grundvoraussetzung dafür sei eine gute Bildung, also das nötige Wissen und die Fähigkeiten, um sich überhaupt nachhaltig verhalten zu können. Es braucht also eine „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.
Nachhaltiges Handeln lernen und vermitteln
Das Ziel der youcoN ist daher: Ideen entwickeln, wie man nachhaltiges Handeln lernen und in Kitas, Schulen und Unis vermitteln kann – ganz konkret und finanzierbar. Am zweiten und dritten Konferenztag geht es daher in die inhaltliche Detailarbeit: Frühkindliche Bildung, Schule, berufliche Bildung, Hochschule, non-formales und informelles Lernen. Nach diesen Fachbereichen getrennt finden Workshops statt. Theorie und Praxis wechseln. Man diskutiert, trainiert, plant, bastelt. Parallel und abends gibt es ein Kulturprogramm, Konzert, Filme und eine Ausstellung.
Alle wollen mehr erfahren
„In vielen Gesprächen und Momenten war förmlich die Energie spürbar, mit der die Teilnehmenden nach Wolfsburg gekommen sind“, schwärmt Mitorganisator Pennig. In den Arbeitsräumen und Sälen dreht sich alles um Begriffe wie Klimawandel, Weltverbessern 2.0, Überfluss und Mangel. Wörter wie transformative Bildung für nachhaltige Entwicklung, Beteiligung und politische Vertretung sind immer wieder zu hören, dazwischen Projektschmiede, Kita- und Schulfördervereine oder Berufsorientierung. Alle wollen mehr erfahren, sich austauschen, aber auch eigene Ideen präsentieren und Mitschaffende für Projekte finden.
Bildung für nachhaltige Entwicklung: Mitschaffende finden
„Wir setzen uns dafür ein, dass nicht nur der Gewinn als Erfolgsdefinition für Unternehmen gilt, sondern der Nutzen für die Gemeinschaft“, sagt Jens vom Akteur*innen-Kreis Jugend der Gemeinwohlökonomie. Zusammen stellt er seinen Verein auf dem Markt der Möglichkeiten am dritten youcoN-Tag vor.
Einige Meter weiter steht Lukas vom Bildungswerk für Schüler*innenvertretung und Schüler*innenbeteiligung. Ihm geht es darum, „Beteiligungsstrukturen an Schulen zu stärken, damit Jugendliche ihre Ideen besser umsetzen können und gehört werden“. Juliane von der Deutschen UNESCO-Kommission bringt am nächsten Stand Marktbesucher*innen den internationalen Jugendfreiwilligendienst Kulturweit näher.
Diskutieren auf großer Bühne
Längst ist klar: Alle sind hoch motiviert und die Teilnehmenden der Konferenz können andere anstecken mitzumachen – von Schüler*innen bis hin zu Lehrkräften sowie Menschen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Das geht auch auf großer Bühne. Bei der Konferenz gibt es daher als Programmhöhepunkt eine engagierte Diskussionsrunde mit dem Geschäftsführer der Autostadt Claus Colsman, Dr.in Mandy Singer-Brodowski vom Institut Futur und der Stiftungsvorsitzenden Katja Hintze (im Bild die Diskussionsergebnisse auf einen Blick.)
Erste Erfolge auf einem langen Weg
„Die Fragen der jungen Menschen an Herrn Colsman waren sehr kritisch und fordernd“, sagt Katja Hintze. Geschäftsführer Colsman zeigt sich aufgeschlossen und bekommt viele Ideen mit auf den Weg, wie man die Autostadt nachhaltiger machen könnte (mehr: auf die Zeichnung klicken). Ein kleiner Erfolg. Aber bestimmt nicht der einzige, als am Sonntag die Konferenz nachmittags endet. „Insgesamt war es sogar ein Riesenerfolg“, resümiert Pennig zufrieden. So sahen es auch viele Teilnehmende, wie ein kurzes Video zum Abschluss der youcoN zeigt.
Mehr zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung erfahren Sie hier:
- Jugendbeteiligung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
- Hambacher Wald: Aktion vor Ort
- youcoN 2020 – Digital und gerecht?
- Zukunftskonferenz: youcoN 2019
- Handbuch Transformatives Lernen durch Engagement. Ein Handbuch für Kooperationsprojekte zwischen Schulen und außerschulischen Akteur*innen im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung (PDF-Datei, barrierefrei; Umweltbundesamt www.umweltbundesamt.de, Dieses Buch steht unter der Lizenz: CC BY-NC, es wurden keine Änderungen vorgenommen)